Kloppomobil goes East

 

 

      

 

Aktuelles auf einen Klick:

Alle älteren Reiseberichte findet Ihr auf der nächsten Seite (Teil I)

Alle bishserigen Berichte vor der Reise findet Ihr in der Rubrik "Reisevorbereitungen"


Aktuelle Reisenews Teil II

Um die Ladezeit dieser Seite zu verkürzen, sind die älteren Berichte auf der nächsten Seite zu finden.

 

FRÜHLINGSERWACHEN

84570 Polling - Oberflossing, hier schließt sich der Kreis nach ziemlich genau einem Jahr.

Das Kloppomobil ist seit Anfang April aus dem Winterschlaf und der Werkstatt, wir sind endlich wieder "On the road". Die Mainzer haben an Ostern Unentschieden in Nürnberg gespielt, ein Grund für uns die weiteren ca. 240 Kilometer an die tschechisch-österreichische Grenze zu fahren und Herbert zu besuchen. Den haben wir in Usbekistan getroffen, er wollte mit einem Freund den Landy eines Dritten in die Heimat zurückführen - dummerweise ohne gültige Papiere. Die Geschichte endete vor dem usbekischen Kadi und konnte nur mit höheren Devisenzahlungen bereinigt werden, sie haben es aber relativ unbeschadet überlebt. Nun hören wir die Geschichte in seinem drolligen Bayrisch, der Dialekt seiner Frau grenzt jedoch an Körperverletzung, ist nur ansatzweise zu verstehen und würde in Mainz sanktioniert.
Ich hatte bereits mehrmals mit diesem Artikel begonnen, aber nie den richtigen Ansatz gefunden. Nach dieser Tour falle ich irgendwie in ein tiefes Loch, zumindest ein Motivationsloch in Punkto Alltagsbewältigung.

Vieles was ich berichtet habe erscheint mir mit der Distanz von Zeit und Entfernung dumm und naiv. Andererseits waren die Gedanken während der Reise freier und wir haben die Welt in der wir lebten mit ganz anderen Augen gesehen. Auf welche Art auch immer, in Deutschland geht die Kreativität schnell verloren und man denkt, das Ihr das Beschriebene alles eh nicht verstehen könnt.

Auch von uns ergriff der Alltag in all seinen gelenkten, durchdachten und genormten Bahnen hart und ohne Wiedereingewöhnungsphase Besitz. Die Tagesprobleme änderten sich abrupt von Wasserbeschaffung, Stellplatzsuche und Beratschlagung über fahrbaren Pisten zu Behördengängen, Kranken- und sonstiger Versicherungskorrespondenz. Somit die Warnung an alle potentiellen Teilzeitaussteiger, nehmt euch mindetens noch 3 Monate, besser ein halbes Jahr Zeit um so einen Lebenstraum zu verarbeiten. Eure Lebensanschauung ändert sich grundlegend! Hiermit auch nochmals die Antworten auf die uns am häufigsten gestellten Fragen: Habt ihr euch wieder gut eingelebt? Die Antwort kann nur ein klares Jain sein, wir sind zu Weltbürgern mit zwei Identitäten mutiert. Welches der "Better way of life" ist muß jeder für sich selbst herrausfinden. Auch die Frage: -Wie war es denn ? - können wir leider nicht an einem Abend beantworten, diese Zeit reicht nicht mal für die Erlebnisse in einem Land. Zumindest die Kostenfrage kann ich euch beantworten, wenngleich sehr individuell. Wir haben billiger als in Mainz gelebt, die mittleren Monatskosten auf der Reise beliefen sich auf rund 1200 Euro.

Das beinhaltet insgesammt rund 8500 Liter Diesel, sämtliche Zusatzversicherungen und "Eintrittsgelder" in die jeweiligen Staaten.Auch das ein oder andere Mittags/Abendessen, Besichtigungs- und Nationalparkgebühren, eine Bootsfahrt oder Tagesausflüge mit Guide sind in den Kosten enthalten. Die Hunde waren ein nicht unerheblicher Kostenfaktor, mußten wir sie doch ab der Mongolei mit Menschenfutter versorgen. Sprich: Unsere Freunde bekamen in Ermangelung von kaufbarem Hundefutter das gleiche Fleisch wie wir gegrillt. Der Platz und das Gewicht für mehrmonatiges Dosenfutter aus der Heimat fehlten selbst in unserem Auto, Trockenfutter konnten wir in Ulan Ude - vor der mongolischen Grenze - nochmals bunkern. Natürlich sind in dieser Rechnung weder die Visakosten vor der Reise, noch die Reperaturkosten während der Tour enthalten, auch ein entsprechendes Wohnmobil mit Grundausrüstung muß man ja erst mal gekauft haben. Andererseits haben wir nicht unerhebliche Ersparnisse an Öl, Strom und Wasser in der Heimat gehabt, auch Steuer und Versicherung für zwei PKW fielen weg.

Der Iran und Kasachstan waren die billigsten, die Türkei das mit Abstand teuerste Land. Für ca. 180 Euro am Tag hatten wir in Moskau einen hervorragenden Stadtführer nur für uns, das Doppelte ist durchaus Usus. Wenn ich es krachen lassen will geht das überall, kaufe ich auf Märkten, in Läden und Supermärkten ein, liegen die Lebensmittel,- und Getränkekosten im Mittel ein gutes Drittel niedriger als in Deutschland. Somit kann man bei einem etwas sparsameren Gefährt und mit möglicherweise nur einem oder keinem Hund mit rund 1000 Euro im Monat bestens auskommen.

Da ich nicht weiß wo ich mit der Lobhudelei beginnen und aufhören soll möge mir auch bitte Keiner böse sein den ich nicht erwähne. Liebe Carola und Stefan, ihr habt einen unglaublichen Job gemacht,- Kostja ohne dein Wissen hätten wir sicher nicht so viel Spaß gehabt. Der hört spätestens in einer iranischen Großstadt bei der Stellplatzsuche auf, auch eine Kontaktadresse oder Telefonnummer in jedem Land kann von unschätzbarem Wert sein.Wir wissen, das wir keine Gruppenreisenden sind und es auch nicht werden können, eine organisierte Reise mit täglichen Stellplätzen, einer Betreuungscrew, Mechanikern, Dolmetschern sowie lokalen Guides hat aber sicher auch viel für sich.

Andererseits haben wir zwichenmenschlich die besten Erfahrungen gemacht, vor allem wenn wir auf fremde Hilfe angewiesen waren. Auch die Problemlösungen, die wir irgendwie selbst handeln mußten haben zum Character und der Einzigartigkeit unserer Reise beigetragen und sind die bleibenden Erinnerungen. Wären wir nicht fast umgekippt, hätten uns dreimalig festgefahren und auf den Unfall im Iran verzichtet, alles wäre nur halb so intensiv in Erinnerung geblieben. Wobei der Unfall im Iran zwar ärgerlich war und im Wortsinn am Reiselack gekratzt hat, aber dennoch glimpflich verlaufen ist. Die Versicherungssume von 20 Millionen Rial als iranische Mindestversicherung des Unfallverursachers klingt gut, ist aber keine 1500 Euro wert und bringt gar nichts wenn die Visa in 5 Tagen ablaufen. Mit 4 Hunden und unserem Hausstand aus dem Iran auszufliegen wäre sicher kein Spaß gewesen, wäre unsere Zweitwohnung ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden. So, jetzt fehlt noch Thomas der meine gemailten Bilder und Texte so schnell und gut zu der euch vorliegenden Homepage umgesetzt hat. Der war wohl oft der Verzweiflung nah, zumindest wenn er die Photos nicht den Texten zuordnen konnte. Danke Mainz 05 für die vielen Fanartikel, die wir auch teilweise recht eigennützig eingesetzt haben und auch nochmals Dank an dich, KLOPPO, für die Überlassung der Namensrechte der Homepage.( Gratulation zum ersten Meistertitel ! ) Tja und dann sind die vielen lieben Tagesbekanntschaften und diese Kultur der Gastfreundschaft die wir erfahren durften und die den ganz besonderen Reiz der Reise ausgemacht haben. So viele Menschen die teilweise nur für Stunden in unser Leben getreten sind und mit denen sich unsere Wege sicher nie wieder kreuzen werden.

Wen wollten wir nicht alles anschreiben, mailen und Bilder schicken - wir haben uns völlig überschätzt, es geht einfach nicht. Einige werden wir noch "beglücken", viele E-mail Adressen können wir schon jetzt nicht mehr zuordnen. Sehr schade !

Appropo Überschätzung: Ich hätte nie geglaubt welch enormer zeitlicher Aufwand die Erstellung einer vertonten Diashow ist. Von ca. 45.000 geschossenen Bildern sind 15.000 auf der Festplatte übriggeblieben. Jeweils um die 1000 Stück soll jeder der beiden Teile des Vortrags enthalten um dem Betrachter zumindest einen kleinen Einblick in die Länder des "Wilden Ostens" zu gewähren. Das Bildbearbeitungsprogramm bietet ungeahnte Möglichkeiten, vom Kontrast bis zur Beschriftung -weiter hab ich mich nicht vorgewagt- und das was man auf dem PC-Bildschirm sieht hat nichts mit dem Fernseh-, oder Beamerbild zu tun. Egal wie, Teil 1 ist fertig, für Teil 2 habe ich viel Lehrgeld gezahlt und hoffe schneller zum Ende zu kommen. Nach diesem Bericht widme ich mich dann, nicht zuletzt wegen eures Zuspruchs, dem nächstem Projekt - meinem Buch über die Reise. Den Titel hab ich schon :Visa, Vino, Vodka - Oder wie die Seele reisen lernt. Das Cover könnt ihr schon hier sehen, hat Hansi mit mir entworfen, genauso wie das Plakat zur Diashow.

Ich find`s sehr schick und wenn man den Titel schon mal hat ist das Buch sicher gleich geschrieben. Durch mein unermüdliches autodidaktisches Streben tippe ich mittlerweile- mit stark reduzierter Fehlerquote- bereits im : Ein Finger, ich weiß ungefähr wo der Buchstabe ist Verfahren, eine enorme Zeitersparniss im Vergleich zum Mai letzten Jahres.

So, jetzt denk ich noch mal nach was ich vergessen hab und bring die Homepage dann für diese Reise zu Ende -das sollte dann mit Bildern spätestens Mitte Mai, sichtbar auf der Homepage, der Fall sein. Freut mich, das sich bisher 7000 Besucher eingefunden, wir über das Netz viele Einladungen erhalten und Gleichdenkende kennengelernt haben. Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum ! ( Wenn es irgendwie geht ) Andreas.

P.S. Ali unser Findelkind von der türkischen Müllkippe haben wir kontrolliert unkontrolliert über die verblieben 7 Grenzen gebracht, jetzt ist er EU-Bürger, gechippt und mit Pass. Leider erkrankt er Ende Dezember schwer, muß in die Tierklinik und dort mehrtägig zur Untersuchung bleiben. Der vorläufige Befund lautet immunbedingte Mennengitis, für die Arztkosten hätten wir noch 3 Monate reisen können. Er muß noch bis Ende November 2011 Kordison bekommen, die Dosierung geht jedoch kontinuierlich zurück und sein Zustand ist wie das Motto von REWE : Jeden Tag ein bisschen besser ! Wir haben ihn somit zweimalig vor dem sicheren Tod gerettet, mit seiner lieben und gutmütigen Art scheint er es uns danken zu wollen. Trixie, eine alte Hundedame aus dem Tierschutzligadorf in Cottbus komplettiert unser Hundequartett seit März diesen Jahres wieder.Wir haben sie über das Internet kennengelernt. Auch sie war nicht mehr zu vermitteln und gegen eine Spende abzugeben. Das Kloppomobil wird schnell ihr zweites, geliebtes zu Hause.

Wir hoffen ihr noch einige schöne abschließende Jahre schenken zu können, auch bei diesem Wesen ist es wieder unglaublich was Menschen Tieren antun können. Ihre Daseinsberechtigung verdankt sie der in Batumi gestorbenen Chile. Damit wäre auch dieser Kreis wieder geschlossen. Chile`s Tod erfüllt mich noch immer mit Wehmut, ich denke täglich an unsere beiden verstorbenen Reisegefährten.

Jetzt halt ich´s aber wirklich mit den Russen und sag : Do swidanija !!

* * *

 

Georgien, Land der Hundegräber Türkei- Land der Eurogräber

Wie ihr gelesen habt - Wir haben ein Hundeleben gerettet, eine große Erleichterung für uns, auch wenn wir noch immer im Besitz der "Glücksmail" waren, die wie ein Damoklesschwert über uns schwebt. Am 19.11. schrieb ich Abends in alkoholischer Trauer in mein Tagebuch : Wo ist mein neuer Hund ? Am nächsten Tag fiel uns ALI-sinnig für einen türkischen Hund -in den Schoß. Er scheint über den Berg, bereitet uns viel Freude und verdrängt den Schmerz von Chiles Tod. Eine gute Medizin. Da Georgien nichts für den Tod der beiden Hunde kann möchte ich meine Erfahrungen auch weiterhin berichten.

Das Land ist sehr schön, wir werden es in einer "kleineren Reise" nebst Armenien wieder besuchen, auch um die Hundegräber nochmals aufzusuchen. Die Einreise war schnell und problemlos, wir besichtigen nach Sheilas Tod Tiflis um uns abzulenken. Die Stadt boomt insbesondere um die Altstadt mit ihren vielen winkligen Gassen , den urigen Kneipen und dem pulsierendem Leben in den Unterführungen. Es ist ein mediterraner Flair zu spüren. Irritierend ist die Weihnachtsdeko Mitte November, es ist noch über 20 Grad warm. Leider haben wir nur einen halben Tag, die Trauer treibt uns zurück. Wie beschrieben fahren wir auf steilen Strassen zum Felsenkloster nach Vardzia, eine traumhafte Kulisse im letzten Aufbäumen des bunten Herbstlaubs. Der Aufstieg zur Kapelle, die Mönche im Fels, der Abgang auf allen Vieren zum einsamen Stellplatz am Wildbach sowie der Sonnenaufgang am nächsten Morgen-es war einfach nur wunderschön. Wir folgen der P1, darf man der "World mapping Karte" und Steffi trauen , zweitbesten Strasse des Landes. Kann man die Auffahrt zum nur 2025m. hohen Pass noch als abenteuerlich bezeichnen, die aberwitzigen Steigungen und Bachquerungen an steil abfallenden Hängen sowie vereinzelte Schneebretter versprühen einen ultimativen Kick, so wird die Abfahrt auf der Nordseite zum absoluten Horrortrip. Der ungesicherte Feldweg ist im Schatten bereits jetzt mit einer dicken Eisschicht bedeckt, das Gefälle irrwitzig, Schmelzwasser läßt die Piste zum Bachlauf werden und die engen Serpentinen lassen kaum Rücksetzmanöver zu. Teilweise sind Erdrutsche und Unterspülungen zu überwinden. Es ist die schlimmste Fahrstrecke unserer gesammten Tour, für insgesammt 50km benötigen wir 5 Stunden. Dachte ich bisher, das die Abfahrt in die bolivianischen Yungas von La Paz die gefährlichste Fahrstrecke der Welt wäre, der verantwortliche Geo-Redakteur kann sich hier gerne vom Gegenteil überzeugen.

Ich fahre nach Batumi, das wir nach den geschilderten Ereignissen am 18. November verlassen. Die Einreise in die Türkei geht zügig von statten, die bestens ausgebaute Strasse führt uns entlang der Schwarzmeerküste. Die ist dicht bebaut aber bei weitem nicht so sauber wie in GEORGIEN. Stellplätze sind kein Problem wenngleich direkt an der Küste aber nicht sonderlich toll. Wir vertrödeln mal 4 und mal 2 Stunden um die Glücksmail los zu werden, am Ende sind wir mit den Nerven zu Fuß und völlig fertig. In einer Gewaltkonferenz, die mit Stefean über zwei Stunden dauert-natürlich life per Handy-sind wir den Dreck endlich los. Dem Himmel sei Dank! Ich mache dem Absender keine Vorwürfe , aber bitte unterlasst das in Zukunft. Hoffentlich haben die Empfänger mehr Glück damit. Sorry, aber wir mußten es ja an irgendwen weiterleiten. Wir ticken nach dieser Reise etwas anders, auch wenn wir weder auf einem Drogen- noch  Religionstrip sind. Auf einer Müllkippe am Strassenrand lesen wir dann das neue Familienmitglied auf und bringen es Samstags zum Tierarzt.

Der schreibt ein Attest und Impfnachweise auf Kopierpapier, Ali ist definitiv noch kein EU-Bürger. Den geplanten Besuch von Istambul verschieben wir wegen der zurückliegenden Ereignisse und des Illegalen an Bord, der erholt sich täglich zusehends. Die Stadt mit über 13 Millionen Einwohnern ist jedoch gigantisch, wir zahlen 10 Euro für die Stadtautobahn.

Am 200. Tag unserer Reise sind wir zurück in Europa, nach  180 Tagen in Asien ! Ach ja, an Tag 199 wollten wir in eine Werkstatt, da die Hinterachse Öl verliert, nicht viel, möglicherweise nur ein Simmerring wie eine Ferndiagnose ergiebt. War es wohl nicht, mit einem Knall bleibe ich an einer Autobahnsteigung 50km. vor dem Ziel liegen. Diagnose eines Mechanikers-Ich konnte endlich mal wieder trampen und das mit einem Wort türkisch- beide Kugellager der Hinterachse nebst Achskranz und Zahnrädern im Arsch. Reiseverschleiß nach 32.000km teilweise härtester Pisten. Der Mann scheint kompetent, nur die weißen Socken stören mich irgendwie. Er fährt mit Sabine zu unserer angepeilten Werkstatt, baut ein und aus und läßt den Achskranz in einem Fachbetrieb nacharbeiten. Alles auf der Autobahn wieder einbauen, oh Wunder, es funktioniert. Schlappe 750 Euro kostet der Spaß, natürlich cash und ohne Beleg. Egal, Ali geht es immer besser, Sabine hat einen Standplatz für die Nacht ausgespäht, wir stehen auf einem Hügel über einem Weiher, das Efes-Bier schmeckt, das neue Familienmitglied stolpert hinter uns her und beginnt mehr zu fressen. Der Kleine ist wurmfrei. Wir wollen heim, trotz Landstrasse und Istambul schaffen wir am nächsten Tag über 500km. Leider ist die Landschaft nach dem Bospurus nicht mehr so prickelnd. Eine Agrarkulturwüste mit lokaler Industrie prägt die fast völlig baum- und strauchlose, monotone Fahrstrecke. Für meinen Geschmack einer unserer häßlichsten Reiseabschnitte. Die Stellplatzsuche gestaltet sich entsprechend, mit einbrechender Dämmerung finde ich einen steilen Feldweg, der in die Felder führt. Beim zurückschalten in den ersten Gang vernehme ich das häßliche Geräusch des Vortags, das Auto fährt keinen Meter mehr. Ich rolle in den Strassengraben zurück, jetzt trampt Sabine mal nach Lüleburgaz, der nächsten Stadt, Erfolg gleich Null!

Kurz vor ganz Dunkel ist sie zurück, das nächste Highlight beginnt. Es regnet in Strömen, wir stehen im Graben, das Heck halb auf der Strasse. Für die interne 200 Tage Feier hatten wir Bier und Wein gekauft der jetzt zur Frustbekämpfung herhalten muß. Die Umwelt versinkt in einen breiigen Morast mit zäher Konsistenz, im Innenraum sieht es wie nach dem Schlammcatchen aus, alleine aus dem Morast der an Oskar hängt könnte man den Iran erblühen lassen. Technisch formuliert sind wir manöverierunfähig. Mit Kopfweh und Nachdurst sieht die Welt am nächsten Morgen interessanterweise nicht besser aus, im Gegenteil verschlimmert sich die Lage nachdem die Hunde Gassi waren. Da Keiner hält laufe ich zurück zur Hauptstrasse und zweifele ob es meine beste Idee war mich am Vorabend mit sämtlichen Göttern verbal anzulegen. Ein Busfahrer gabelt mich auf, sein Schwippschwager hat einen Abschleppdienst, nach einer guten Stunde sind wir wieder beim Haveristen.

Die Abschleppkarre wiegt leider nur die Hälfte des Kloppomobils, sowohl die Winde, als auch sonstige Befreiungsversuche enden fast mit der Versenkung des Bergefahrzeugs. Auch die Abschleppstange ist für die Öffnung des Anhängemauls viel zu klein, Schäkel zur Fixierung finden schon gar keinen Platz. Ein großer Trecker hilft, endlich findet auch unser High-Tech Abschleppseil erstmals Verwendung. Ob es statthaft ist ein Zugfahrzeug, das weniger als die Hälfte des geborgenen Objekts wiegt über Berg und Tal abzuschleppen-ich weiß es nicht. Wir kommen zu einer LKW-Werkstatt. LÜLEBURGAZ  hat sowohl eine häßliche Innenstadt, als auch das abstoßensde Industriegebiet der Türkei. Die Gewerbegebiete von MZ-Hechtsheim sind im Vergleich hierzu in akuter Gefahr zum Weltkulturerbe ernannt zu werden. Selbst über Mombach will ich mich nicht mehr negativ äußern. Wußtet ihr, das es in Frankfurt, K-Town und Wiesbaden schön ist? Das Beste ist noch, das wir nur zwei Nächte in der Halle des tüchtigen KFZ-Mechanikers nächtigen müssen. Um`s Eck gibt es einen brauchbaren Imbiss, der Gestank der verwesenden Hundekadaver und die komplette Restmüllentsorgung auf der Strasse mindern den Genuß nur unwesentlich. Diagnose diesmal : Kupplung hinüber. Es wird lange und viel telefoniert- von allen Beteiligten- , am Ende wird eine kompatible Kupplung in Istambul aufgetrieben. UPS würde sie am nächsten Tag bringen. Klappt auch, leider aber viel später als versprochen. Betroffene Minen, die Kupplungsscheiben passen irgendwie nicht so richtig zusammen. Chefe fährt in die nächste große Stadt und gibt sich optimistisch was auch immer zu finden, ich gehe mit den Hunden durch das stinkende Industriegebiet, Das einzige was hier pflanzlich überleben kann sind Kletten der übelsten Sorte, die Oskar magisch anzieht. Auch der kaugummiähnliche Schlamm hat Gefallen an den Vierfüßlern. Um noch ein wenig auf die Euphoriebremse zu treten stellt Öz, der wackere Meister fest, das die Antriebswelle der Hinterachse gebrochen ist. Zwei Garagentore weiter kann die aber abgefräst und geschweißt werden.

In Deutschland hätte wohl kaum jemand  bis tief in die Nacht gewerkelt, hier wird geschafft bis alles repariert ist. Auch über 800 Euro incl. aller Teile können wir nicht meckern, peinlicherweise spuckt der Geldautomat aber nur die Hälfte aus. Das dies das Limit pro Liramaschine in der Türkei ist erfahren wir erst später, an einem anderen hätten wir die fehlende Hälfte problemlos ziehen können. Sinnige Regelung. Wir zahlen am nächsten Morgen und verlassen das Land der Tünel und Y´s. Teuer ist es auch sonst in der Türkei, die Lebenshaltungskosten sind höher als in Deutschland, nur Brot und Essen an der Straße sind günstig. Liter Diesel 1,90 Euro, Liter Bier 3,20 Euro. Da trösten die freundlichen Menschen und Einladungen zum Tee nur wenig. Bulgarien, das Land der sexistischen Autobahnwerbungen, durchfahren wir wie Serbien an einem Tag. Landschaftlich sicher einen weiteren Besuch wert. Die Tankstellen sind genauso wie die kroatischen superneu und sauber, kurz vor der slowenischen Grenze beginnt es zu schneien. Über Nacht fällt ein halber Meter Neuschnee, die Autobahn ist aber am nächsten Morgen geräumt. War die Maut in den bisherigen Ländern vertretbar, die Slowenen sind gnadenlose Abzocker. Eine schlechte Nachricht erreicht uns, wir schmuggeln Ali über 6 Grenzen in die Schweiz und hoffen sehr am Samstag den 4. Dezember am Bruchweg zu sein.

Ein Abschiedsbericht folgt demnächst, wir können das Wiedersehen mit euch jetzt kaum noch erwarten.

* * *

 

Hundegespräche

Guten Morgen Ali! - Salam Angie. Wie geht es dir? - Danke und selbst? - Du, ich glaube schon ganz gut heute. - Das freut mich sehr!  Was machen deine Wunden ? Laß mich mal sehen. Hey sieht nicht schlecht aus. Dein Ohr verheilt super, die große Bisswunde auf deinem Kopf wird auch immer besser. Über die kleinen Verletzungen und Narben wächst bald Fell. Hast du noch Schmerzen? - Nein es geht, es juckt nur so. - Das ist gut, dann heilt es. - Meinst du wirklich? - Ja, so  ist es. Die haben dich echt schlimm zugerichtet und das obwohl du noch ein Welpe bist, armer Wurm. - Was sollte ich denn machen, ich kann mich doch noch nicht wehren. Ein Zweibeiner hat mich mit meiner Familie in ein Auto gesetzt und auf der Müllkippe rausgeworfen. Da war schon ein Rudel. - Was ist passiert ? - Ich weiß nicht genau, aber ich glaube alle anderen sind tot. Eine Müllkippe ist eine Überlebensmöglichkeit für wilde, herrenlose Hunde in der Türkei. Da gibt es keine Gnade, zumal die Müllhunde Junge hatten. - Andreas hat gesagt, das da viele verwesende Kadaver waren, aufgeblähte Hundekörper und anderes Aas, es hat furchtbar gestunken. - Ja, so wars wohl. Er ist auch erst zurückgegangen, nachdem er gesehen hat wo ich lag und weil es wirklich schlimm gerochen hat.

Ich hatte eigentlich auch schon abgeschlossen, dachte aber noch mal mit dem Schwanz zu wedeln kann nicht schaden. - Und dann ? - Er kam zurück, mit Sabine. Die anderen Welpen von den Hunden, die den Rest meiner Familie getötet haben sind ja ins Unterholz gekrochen und die Rudeltiere haben Futter entlang der Autobahn gesucht. Das war schlimm, ein Radlader hat meine tote Familie weggeschoben. - Du hattest wirklich Glück, das wir gekommen sind-oder? - Ja, hätte Andreas nicht ein Junges der bösen Hunde gesehen und angehalten, ich wäre jetzt sicher totgebissen, verhungert oder verdurstet. Zum Glück bin ich grade zu meinem Sterbeplatz gegangen und er hat sich erbamt. - Du hast richtig Scheiße ausgesehen und gerochen, mein junger Freund. Voller Flöhe, Zecken und Milben, verkrustetes Blut und Dreck und wirklich übel gestunken. Dich hätte sonst kaum einer angefasst und ins Bad gesteckt. - Ja, da hatte ich furchtbar Angst, das Auto ist gefahren und als wir vor dem Minarett auf den Tierarzt gewartet haben war es so schrecklich laut. Schlimmer als auf der Müllkippe. - Tja, weißt du, da muß man durch. Dafür liegt jetzt das Leben vor dir. Mittlerweile fährst du doch schon sehr gerne mit im Auto. - Stimmt Angie, aber ich habe soo viel Angst, daß ich wieder ausgesetzt werde. Ich möchte unbedingt bei euch bleiben. Hier habe ich meinen Platz, es ist warm und trocken und ich werde oft gestreichelt. Ihr seid alle so lieb zu mir und Oskar mag ich auch. Egal wenn er mich angrummelt, er ist ja der alte Rüde. - Ach mach dir um den keine Gedanken, den hab ich voll im Griff. Ist halt ein alter Sack. - OSKAR : Wenn nicht gleich Ruhe ist geb ich euch alter Sack! Ich will schlafen, blöder Kindergarten. - Sei ruhig Angie, er ist sauer. - Quatsch, alles leeres Gegautze, der pennt eh gleich wieder. - Meinst du? - Ja sicher. - Stimmt, puh da bin ich froh. Angie wo sind wir? Weißt du wo wir hinfahren? Was machen wir heute? - Also, so genau weiß ich es auch nicht, ich glaube aber Türkei oder Bulgarien, wir fahren jetzt heim. - Heim was ist das? Ich denke das ist unser Heim? - Nein unsere Heimat ist Mainz, da haben wir ein Haus in dem wir leben und viel mehr Platz als hier im Auto. - Wir wohnen nicht mehr im Auto? Muß ich da wieder weg? Ich bleibe gerne im Auto, mir reicht Wasser und Brot und eine Decke. Ich will nur bei euch bleiben! - Dummer kleiner Hund, keine zehn Wochen alt und somit keine Ahnung vom Leben. Na ja ich war auch mal so als sie mich aufgelesen haben. Ein Haus hat viele Zimmer und Sofas. - Oskar : Und die sind alle mir. Schnauze jetzt ihr Zwerge, ich brauche viel Schlaf um zu verdauen. - Ali : Oh, oh. - Angie : Hol uns doch, du bist doch viel zu dick und faul. - Oskar : Warte nur bis morgen früh, wenn ich ausgeschlafen habe, ich werd euc... - Siehste Ali, schon pennt er wieder. Also wiegesagt, die Zwei werden dich schon über alle Grenzen bringen und dann fängt in zwei Wochen dein Leben so richtig an. Wenn ich mir deine Füße so ansehe, bin ich mir sicher, daß du ein Riesenhund wirst und immer auf uns alle aufpassen wirst! - Wirklich ? - Ja sicher, schau mal was du jetzt schon frißt und säufst. Die ersten Tage war es zwar ziemlich kritisch, aber jetzt. - Stimmt, seit ich weiß wie Hühnchen, Herz und Leber mit Reis schmeckt und das es regelmäßig was gibt. Hm, auch dieses Trockenfutter ist super. Mein Hundegott was hatte ich ein Glück ! - Bedank dich bei Chile. Leben für Leben. Mit ihr wären wir zu ganz anderen Zeiten wo anders gewesen. Arme Chile. - Arme Chile. - Oskar : Endlich was vernünftiges, laßt uns alle schlafen und morgen weitersprechen. - Na gut, weiter gute Nacht. - Kurze Ruhe - Angie? - Ja Ali. - Danke für deine blaue Decke mit dem Eisbären. Die ist so toll warm, wenn ich auf Chiles Platz liege und versuche aufzupassen. - Schon ok, komm hinter, da ist es viel wärmer und bequemer, ich pass auf, das uns nichts passiert. - Danke Angie, wenn ich groß bin pass ich auf euch alle auf, besonders auf dich, meine beste Freundin. Freunde für`s Leben? - Ja, Pfote drauf? - Pfote drauf !

  - Eins noch Angie, was muß ich noch mal machen wenn ich muß? - Du hast doch eh noch nie reingemacht. Erstaunlich, erstaunlich. Nur fiepsen, klappt immer, die tragen dich raus. - Ach ja. FIEPS - WARTE KLEINER, ICH BRING DICH GLEICH RAUS ! - Siehste, es geht immer. - Ja, toll und danach Gute Nacht. - Gute Nacht auch dir. - Gute Nacht Hunde.

* * *

 

Von Ismen und Aberglaube, Leben und Tod, Liebe und Leid sowie einem neuen Hundemensch

Ich weiß noch nicht so genau wie ich anfangen soll, wird aber ein längerer Artikel und sicher nicht immer lustig. Holt euch also ein Glas Wein und bringt etwas Zeit mit. Bei meiner Geschichte "Der Berg der Stille" hatte ich ja den 11. Juni als unseren zweiten Geburtstag bezeichnet, jetzt erzähl ich warum. Sicher haben die wenigsten Verständnis für die Reise die wir machen, die Einen gönnen es uns nicht, Andere empfinden wohl schon die Reiseroute als den blanken Horror und sieben Monate mit vier Hunden auf engstem Raum, ohne Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen ist auch nicht Jedermanns Sache. Was somit für uns ein Lebenstraum ist, ist für viele ein Albtraum. Ich wollte und mußte es machen, auch um einen Schlußstrich unter mein altes Leben zu ziehen, das ein Selbstmord auf Raten war. Burn Out, wie man Neudeutsch sagt, ist eine schicke Beschreibung meines damaligen Zustands und Lebensgefühls, auch der überforderte neue Besitzer, sein Betrügerkompagnon und nicht zuletzt der gierige Insolvenzverwalter, der die Firma hat ausbluten lassen und noch weiterhin versucht sich zu bereichern haben mir arg zugesetzt. Natürlich bin ich nicht ohne Bedenken losgefahren, ein Schreibtischtäter mit Frau und Hunden, dafür ohne Reperaturkentnisse des großen Autoungetüms, in die Mongolei und über den Iran zurück-das ist auch für mich eine ganz große Nummer, wogegen die vorherigen Reisen ein Kindergeburtstag waren. Als wir recht problemlos am obigen Tag erstmals den Baikalsee erreichten erbot sich ein freundlicher Bujarte uns eine besonders schöne Bucht zu zeigen. Mit seinem kleinen Geländewagen fuhr er mehrere Kilometer vor uns her, um in einen Waldweg abzubiegen, der sogar in der Karte verzeichnet war und zu einem kleinen Ort führen sollte. Wir hatten den Abzweig bereits auf dem Hinweg bemerkt, er erschien mir allerdings zu steil, schmal und riskant, zumal es leicht zu nieseln begann. Diesmal folgte ich ihm mit Bedenken, auch weil wir nicht unfreundlich erscheinen wollten. Holprig, steil und rutschig war`s, eng dazu. An einer Stelle, die mir auch wegen dem Seitengefälle zu riskant erschien stieg Sabine aus um mich weiterzuwinken, im Kriechgang folgte ich ihrer Einweisung bis es kam wie ich befürchtete, das schwere Heck rutschte seitlich weg und der rechte Hinterreifen über den Wegesrand in eine kleine Schlucht. Ich hatte zwar noch versucht mit Vollgas über die kritische Stelle zu kommen, es reichte nicht. Die Schräglage im Fahrerhaus und Sabines aschfahles Gesicht verdeutlichten, das es kritisch war. Kann er umkippen? Nicken, heftigster Adrenalinschub bei mir, mein Herz war eh schon am rasen. Ich stieg aus um mir die Sache anzusehen, es war mehr als kritisch. Der Reifen auf der Fahrerseite war schon kurz davor den Bodenkontakt zu verlieren, fast war das Auto am wippen. Wäre der Wassertank auf der Beifahrerseite voll gewesen- ich hätte wohl schon in der Böschung gelegen. Zuerst die Hunde retten, alle vorne links raus, in der Wohnkabine war die Schräglage schon titanisch.

Den Hunden war die Abwechslung recht, alle vier machten im stärker werdenden Nieselregen ordentlich Radau und raubten uns den letzten Nerv. Es gab keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, aber die erste Viertelstunde war von höchster Konfusion geprägt. Sabine versuchte die kleine Schlucht mit Erde aufzufüllen, ein Baumstamm stützte das rechte Hinterrad etwas ab. Zwei Ersthelfer kamen auf einem Motorrad mit Beiwagen, die allgegenwärtige russische Variante: Betrunken und Stockbetrunken. Stockbetrunken war mit einer Flasche Ochota, Zweieinhalb Liter, 12 % Alkohol bewaffnet und wollte den Karren aus dem Dreck fahren was ich zu verhindern wußte. Er hat uns übel vollgelallt und nach allem Möglichen gestunken, ich mußte auch wegen der Aufregung in seiner Gegenwart fast kotzen. Der Andere war vernünftiger, hatte aber auch keine Lust zu helfen, nach zehn Minuten knatterten sie wieder ab. Ich malte mir derweil aus wie Kübel von Hohn und Spott über den Weltreisenden ausgekippt werden, die nach fünf Wochen ohne Kloppomobil, aber mit dem Flieger aus Irkutsk zurückkommen. Zumindest konnte ich wieder klar denken, wir begannen unter andauernden Moskitoangriffen die Reifen auf der Fahrerseite zu untergraben. Der Plan ging auf, nach einer halben Stunde bestand zumindest keine Kippgefahr mehr. Wir dankten den höheren Mächten und gruben weiter. Der Plan war einfach : Fahrspuren für die drei Reifen mit Grip, zur Not auch über zwanzig Meter. Ich hätte auch zwei Tage gegraben und versprach dem lieben Gott Gutes zu tun, wenn wir heil aus der Nummer rauskommen. Derweil dröhnte es auf einem Weg in der Nähe, die Trunkenbolde hatten einen Allrad-Dreiachser, der Stämme aus den Wäldern transportiert, organisiert, der Fahrer mähte diverse kleinere Kiefern um und setzte sich vor unser Auto. Mit einem Stahlseil, doppeltem Allrad und den gegrabenen Fahrspuren sind wir mit einem Ruck aus dem Dreck in den ich uns mannöveriert hatte. Riesenerleichterung! Wir werfen mit Spaten und Schaufel die Fahrspuren zu und wollen dann auf dem Weg des Waldfahrzeugs zurück auf die Hauptstrasse. Völlig unmöglich, viel zu eng, ich muß den selben Weg zurück, uns fällt die Klappe. Scheiße, das mach ich nicht-muß es aber. Wir stehen irgendwo in der Pampa, zumindest der Lkw ist noch da, der Fahrer nüchtern und er flößt irgendwie Zuversicht und Rettungsaussicht ein. Diesmal winkt er mich mit Sabine in einem noch aberwitzigerem Winkel und Schräglage über die vormalige Absturzstelle, ich fühle mich als ob ich einen Flieger notlanden müßte, der gerade 5000 m. abgesackt ist. Es war die Oberpanik mit freier Sicht in die Schlucht, aber ich schaffe es. Sabine meint so ein Gesicht hätte sie noch nie gesehen, ich glaube es ihr und bin überrascht, das ich mir nicht in die Hose gemacht habe. Wir bedanken uns mit VODKA, deutschem Bohnenkaffee und T-Shirts,Volltrunken pisst ungeniert an den Beiwagen und scheint mit dem Tagesverlauf  hochzufrieden, seinen Dödel vergißt er im Suff einzupacken. Wir fahren zum sicheren Strand, lassen die Hunde raus und machen erleichtert Mittag, um im Anschluß nochmals einen langen Strandlauf zu unternehmen. Unter Millionen finde ich meinen Glücksstein und bin mir sicher, daß die Götter unsere Reise abgesegnet haben und uns bis in die Heimat nichts mehr passieren kann oder wird. Hätten es uns die höheren Mächte nicht gegönnt-sie hätten uns Heute, Hier und Jetzt scheitern lassen. Obwohl ich allen, insbesondere den religiösen Ismen sehr distanziert und kritisch gegenüber stehe, danke ich dem Himmel. Ob es ein Haar Buddahs, ein seidener Faden des Gewandes von Mohamed, eine Laune von Sheiva&Ganeisha, oder ein Augenzwinkern Gottes/Jesu war, es ist mir völlig egal. Seit dem Zeitpunkt haben wir einen Reise- und Aberglauben, den wir hegen und pflegen. Wir sehen es mit kindlicher Naivität, es gibt einen Schutzengel und Gott-und zwar nur Einen- den alle Religionen gleich verehren, jedoch verschieden interpretieren. Für mich als eigentlichen Atheisten ein gewaltiger Satz und neue Erkentniss. Um den "Deal with God" für das weitere Leben und die Restreise nicht zu gefährden, bringen wir allen Religionen und Gotteshäusern den gleichen Respekt entgegen. Wir stecken wo immer möglich Kerzen in Kirchen, kaufen Ikonenbilder, stehen ehrfürchtig in und vor ungezählten Moscheen und suchen den Dialog mit buddistischen Mönchen, die wir auch gerne beschenken. Aus Aberglaube findet sich aus jedem bereisten Land ein Talismann, der im Fahrerhaus befestigt wird. Die Hunde und wir werden mit der glücklichsten Zeit unseres gemeinsamen Lebens belohnt, ihr konntet das ja alles nachlesen. So endet Teil Eins einer bis dahin behüteten Reise, den Zweiten schließe ich an, ihr müßt ihn aber nicht lesen, er drückt unseren großen Schmerz über die Ereignisse seit dem 8./11. 11. 2010 aus.  

Du willst es also wirklich wissen was passiert ist und warum einer unserer Hunde CHILE heißt? Ich habe dich gewarnt!

Im Winter 2000/2001 verbringen wir in einem geliehenen Camper einen Urlaub im Norden Argentiniens, Boliviens und Chiles. Weihnachten übernachten wir in Calama, einer Stadt im Norden von Chile in den Anden, die Atacamawüste, die trockenste Wüste der Welt liegt auf der angrenzenden Hochebene. Es gibt unzählige streunende Hunde, die im Rudel auch auf dem Campground ihr Überleben zu sichern versuchen. Warum ich mich unsterblich in eine Töle verliebe, die ich Felipe nenne ist eigentlich egal, es hat halt gefunkt. Wir sind bereit große Mengen Geld zu investieren um den Kleinen nach Deutschland zu bringen, er wird jedoch nach drei Tagen krank. Ein freundlicher und kompetenter Tierarzt diagnostiziert eine Virusinfektion, Medikamente in der Heimat kein Problem, in Südamerika müßten sie eingeflogen werden, bis sie da sind, wäre der Hund tot. Es folgen dramatische Tage in denen der Arzt mit seinen bescheidenen Mitteln versucht das Tier zu retten, über Neujahr ist die Praxis zu, wir nehmen Felipe am Tropf zu uns ins Auto und fahren nach San Pedro de Atacama, einem Wüstenkaff in der Nähe und eine Destination für Weltenbummler der fortgeschrittenen Art. Der Zustand des Tiers -Ich muß mir das jetzt mal von der Seele schreiben- verschlechtert sich dramatisch, kurz vor dem Jahreswechsel finde ich einen Sanitäter, der den Tropf neu in eine Vene verlegt. Während eines kleinen Silvesterfeuerwerks trage ich den Hund über den Festplatz zum Auto, er leidet unendlich und während eines sehr kurzen unbeaufsichtigten Momentes zieht er sich die Kanüle aus dem Bein. Sein Blick sagt mir: Bitte, bitte, hilf mir und laß mich sterben.

Es war der unmenschlichste Moment in meinem bisherigen damaligen Leben, ich töte den Kleinen mit meinen Händen um ihn zu erlösen. Woher ich die Willenskraft nahm weiß ich nicht, ich war es meinem geliebten Freund aber schuldig. Der Rest des Urlaubs war auch nicht so berauschend, Sabine erkrankte an einer höhenbedingten Thrombose, die erst im allerletzten Moment diagnostiziert wurde und durfte noch sechs Wochen in Chile bleiben bis sie liegend wieder transportfähig war. Die Krankenversicherung mußte die Kosten, inclusive First Class Rückflug tragen, ich war derzeit nicht inaktiv und sah mich in Mainz nach einem neuen Hund um-Chile. Nicht das schönste Tier in Gottes Zoo, aber arm und lieb. Mit allen Hunde haben ich meine Frau am Flughafen abgeholt, sie war überrascht, hat es sich aber fast gedacht und akzeptiert-ich hätte den Grubsch eh nie mehr weggegeben.Sie mochte zwar keine Kinder und war immer etwas zurückhaltend, lag lieber alleine in ihrem Körbchen im Büro, als bei uns im Nebenzimmer, aber sie hat sich ihren Platz in unserem kleinen Reich gesichert. Wir lieben unsere Hunde alle gleich und sind über die verschiedenen Charaktere sehr erfreut. Eigentlich war sie ein Einzel- und Omahund, hat aber bestens in unseren Familienverband gepasst. Wie ihr in den früheren Reiseberichten nachlesen könnt ist sie während unserer Reise aufgeblüht, hat die Killerstatistik angeführt und war so glücklich wie wir alle. Ja, diese Reise war die schönste Zeit unseres gemeinsamen Lebens, eine Katharsis meinerseits, tausend Fahrstunden in denen wir unseren Gedanken nachhängen und uns selbst entdecken konnten. Die hundeintensivste Zeit überhaupt, wir haben uns gegenseitig so viel geschenkt und gegeben. Leider ist es so, daß je höher man fliegt umso tiefer fallen kann. Behaftet mit unseren neuen Glaubens- und Aberglaubenstheorien erreichte uns eine lieb gemeinte "Glücksmail" am 8. November. Der Inhalt im Prinzip kindisch : Alles wird gut, sende die Mail aber binnen vier Tagen weiter, sonst wiederfährt dir Leid und Unglück. Ohne Sendemöglichkeit öffnen wir die Mail am vierten Tag, Sheilas Todestag. Wir sind bereit ihr Schicksal als unabdingbar zu akzeptieren, es ist der Gang der Dinge und der Lauf des Lebens-wenn du alt bist stirbst du, die Trauer der Angehörigen mindert es jedoch nicht im Geringsten. Warum auch immer, wir können Mails empfangen und ins Internet, aber nicht senden. Eigentlich sollte dies genügen um die düsteren Prophezeiungen abzuwenden, aber das Schicksal hat einen anderen perfiden und grausamen Plan für uns zurechtgelegt. IHR könnt noch immer aufhören weiterzulesen !! Mit großem Schmerz verlassen wir Tiflis am 13. November, das Grab des alten Hundes mit Blumen geschmückt. Georgien ist sehr schön, wir grillen nochmals in traumhafter Kulisse und erreichen das Felsenkloster in Vardzia.

Die einsame Landschaft macht es uns weiterhin unmöglich zu mailen, am 15. geht es Chile irgendwie nicht so gut, sie hat keinen Hunger, möchte nicht so weit spazieren und lieber auf ihrem angestammten Lieblingsplatz in der Mitte des Fahrerhauses sitzen bleiben. Von dort hat sie uns die letzten 192 Tage bewacht und beschützt und es immer irgendwie fertig gebracht uns wachen Auges als Erste zu sehen und die frohe Botschaft an die anderen Vierbeiner weiterzugeben. Als Hundemensch würde ich sagen, das sie gelacht hat sobald sie uns sah, wenn wir von Ausflug oder Einkauf zurückkamen. Da es jedem Hund und uns mal einen Tag nicht so gut ging sind wir nicht sonderlich beunruhigt, das ändert sich am nächsten Tag, es geht ihr sichtlich schlechter.Wir wagen es nicht auszusprechen, denken aber das Gleiche: Nein so grausam kann kein Schicksal sein uns zwei Hunde in wenigen Tagen zu nehmen. Der Schutzengel, den uns Sabine und Benne vor Jahren auf dem Weihnachtsmarkt geschenkt hatten ist runtergefallen, die Aufhängung gerissen. Wir unterbrechen die Fahrt in Batumi, um dem Hund und uns Ruhe zu gönnen, Nachmittags fahren wir vom botanischen Garten, wo wir stehen, in die Stadt. Ein Taxifahrer lotst uns zu einem Tierarzt. Die Praxis ist vorsintflutlich, der Typ kauzig, aber sehr bemüht. Seine Diagnose ist klar, der Mimik entnehmen wir, das die Angelegenheit sehr ernst ist. Die Verständigung erfolgt ausschließlich in russisch, wir verstehen aber so viel, das der Grubsch von irgendwoher einen Virus hat, der den Stoffwechsel soweit beeinflußt, das sie nichts mehr ausscheiden kann. Die Folge ist eine starke Schwächung des Immunsystems und eine Hepatitis. Sie erhält eine über einstündige Infusion, Antibiotika und weitere vier Spritzen. Sie muß pinkeln, wenn nicht stirbt sie. Zurück am Stellplatz flößen wir ihr Elektrolyte ein und stopfen ihr die verschriebenen Tabletten in den Rachen. Sie haßt seit jeher Tabletten und beißt mich in den Finger, den ich ihr in den Hals stopfen muß, damit sie die Pillen nicht wieder ausspuckt.

Sie beißt lange, fest und schmerzhaft - es ist mir egal, sie soll eine Chance haben und nicht schon mit neun Jahren sterben. Irgendwie sind wir wie paralysiert und kommen nicht auf die naheliegendsten Lösung - Rat bei unserem Tierarzt in Mainz einholen. Glücklicherweise sind unsere Nachbarn und Freunde diesbezüglich bedeutend realitätsnäher gewesen. Die Beiden haben sich nachdem wir sie telefonisch informiert hatten umgehend kundig gemacht. Eine leichte Vergiftung oder ein Nierenproblem kämen wie der Virus in Frage, alles möglicherweise nicht so schlimm, Röntgenaufnahme, andere Medikamente und es kann noch gut werden. Unser Kampfgeist ist erwacht, möglicherweise hat ein anderer Arzt mehr als guten Willen und eine bessere Praxis.Ich rufe Kostja in Deutschland an, wie immer wenn wir seinen Rat wirklich brauchten ist er sofort am Apparat. Zviad wäre seine Kontaktperson in Georgien, er wohnt in Batumi und spricht fließend Deutsch. Hoffnung macht sich breit nachdem wir ihn telefonisch erreichen und ihm die Lage schildern. Er wolle sich sofort in der Stadt, die in etwa so groß wie Mainz ist, umhören und sich melden. Eine gute halbe Stunde später fährt er vor, unser Stellplatz ist fast ebensolange vom Stadtzentrum entfernt. Einsteigen bitte, natürlich mit dem todkranken Hund-Kostja du hast echte Kumpels. Die Fahrstrecke unterscheidet sich, aber am Ende landen wir wieder beim gleichen Tierarzt, es gibt nur Einen. Ich weiß, das war es. Wiederum wird der Hund fast zwei Stunden behandelt, wir machen eine Konferenzleitung mit Dolmetscher und Tierarzt in Drais, allgemeiner Tenor : Nicht einschläfern, die Nacht abwarten, morgen früh wieder erscheinen. Meine wiederholten direkten Nachfragen nach direkter Sterbehilfe werden sachlich aber einstimmig beantwortet, die Chancen stehen schlecht, aber es besteht Hoffnung. Durch Sheilas längeres schmerzfreies Überleben und der Überzeugung, das die Götter uns nicht zwei Kinder in sechs Tagen nehmen können, stimmen wir zu und lassen uns zurückfahren-Geld wird strikt abgelehnt, wir seien Gäste in Georgien, das Schicksal wäre hart genug mit uns umgesprungen. Danke, aber leider warten die apokalyptischen Reiter bereits in Heeresstärke am Kloppomobil auf uns. Chile ging es in der Praxis besser, bereits auf der Rückfahrt verschlechtert sich ihr Zustand. Zviad verabschiedet sich mit den besten Genesungswünschen, er fahre uns morgen wieder hin. Es wird schon gut ausgehen, ich antworte: Sicher nicht. Um uns herum schwingen die Apokalyptischen die Äxte und Schwerter, mit denen sie unseren seelischen Rüstungen den Rest geben wollen. Im Auto geht es unserer Maus immer schlechter, nach einiger Zeit setzt sie einen menschenähnlichen Schmerzenssingsang an, den ich in 50 Jahren zuvor noch von keinem Hund gehört habe. Ihre Augen sind vor den Kopf getreten, tränen und flehen uns an. Bitte helft mir, sie hat schwarzen Schleim gekotzt, die Nase trieft , die kleine Kreatur zittert und schreit mit ihrem auslaufenden Atemzügen. Weglaufen ist nicht, der Hund ist noch viel zu jung und stark um einfach tot umzufallen. ANGIE, die sich über Machtkämpfe in den letzten sechs Monaten als Rudelführer etabliert und den Grubsch zweimalig übel runtergebuttert hat ist genauso fertig wie wir. Auch sie stimmt einen leidenden Wehlaut an, ihr Herz rast, sie hechelt, zittert und zeigt mit einem angedeuteten Kehlenbiss wiederholt die unabwendbare Gewissheit an. Dies aber ohne jegliche Gewaltanwendung. Wir sind unausweichlich gefordert. Unsere Nachfragen wie wir den Hund am humansten umbringen können zeigen sich in der Umsetzung als schwer realisierbar, im dritten Versuch gelingt es. Unsere Exekutionsbemühungen dauern anderthalb Stunden, es ist unmenschlich sich nach einem Fehlversuch wieder zu sammeln und den nächsten Anlauf zu nehmen. Wie es am Ende gelingt und wie nicht ist unsere Sache. Bevor wir sie umbrachten steckte ich die Kleine in mein "The North Face"-Sweatshirt, das ich schon Nachmittags angezogen hatte. Ich hatte es auch bei Felipes Tod getragen. Nachdem wir mit Vodka versucht haben uns wieder ein wenig zu beruhigen heben wir sofort das Grab aus und setzen sie bei.

Ihren Kopf legen wir auf ein Elefantenkissen, sie hatte Kissen gerne, außerdem lege ich ihr den Glückstein ans Herz. Natürlich wird sie mit einer 05er-Fahne abgedeckt, es ist unsere letzte.Um die Parkwächter vom nahen Nordportal nicht auf den Plan zu rufen, arbeiten wir fast ohne Taschenlampe, die Maglite fällt ins Grab und bleibt dort. Möge sie Chile den Weg zu Sheila leuchten. Via Handy schreien wir unseren Schmerz zu einigen Wenigen nach Deutschland, es war der schlimmste Abend unseres Lebens. Sabine ist jetzt ein 100%iger Hundemensch; Danke das wir das zusammen durchgestanden haben.

Es gibt kaum eine schönere letzte Ruhestette, das Schwarze Meer ist nur 200m. entfernt, sie ruht nahe des Eingangs hinter einer Buxushecke. Diese Hecke faßt einen Rundweg mit großer Palme in der Mitte ein und ist mit meinem Lieblingsgehölz dem japanischen Schlitzahorn abgepflanzt. Eine amerikanische Linde spendet Schatten, Camelien blühen am 17. November über ihrem Grab. Während die Acer noch Herbstfärbung haben, setzen die Azalleen bereits tausendfach Knospen an. Wir sammeln Steine am Meer, legen ein Kreuz daraus und nehmen Abschied. Trotz des Ausnahmezustands in dem wir uns befinden müssen wir weiter, noch ein Tag an ihrem Grab wäre masochistische Selbstgeißelung. Trauer und Schmerz fühlen sich an, als ob man einen Stock verschluckt hätte , der zwischen Hals und Magen steckt. Wir verabschieden uns von Zviad, der uns zum Arzt bringen wollte und danken ihm für seine Hilfe mit einem Trikot, über das er sich sichtlich freut. Die Kirche besuchen wir nicht mehr, dafür aber den Tierarzt um unsere Schulden zu bezahlen. Er will nichts, fast habe ich den Eindruck eine kleine Träne in seinem Augenwinkel zu sehen. Ich fotografiere ihn, nehme seine Kappe ab, küsse seine Stirn und wir gehen wortlos. Er winkt uns vor der Praxis nach bis wir abbiegen, die Glücksmail fährt noch immer mit uns.

 

Liebe Chile, wenn alle Eltern ihre Kinder so lieben wie wir dich geliebt haben ist noch Hoffnung für die Menschheit. Hätte ich geahnt dein Leben mit dieser Reise auf`s Spiel zu setzen-ich wäre nicht gefahren. Bitte verzeih mir. Deine Mainzer Ärztin sagt, das du wahrscheinlich irgendwo mit Gift oder sei es auch nur zwei Tropfen Frostschutz in Verbindung gekommen bist, das hätte auch zu Hause passieren können. Wie werden dich ewig in Erinnerung haben, Sabine ist sich sicher dich auf "Wolke 7" wiederzusehen, ich nicht ganz so. Wir hatten eine wunderbare gemeinsame Zeit und Reise-Danke. Ich stelle mich weiterhin dem Schicksal und werde neue Herausforderungen suchen. Wenn dein Tod irgendeinen Sinn hatte werden es alle auf unserer Homepage erfahren. Oskar sagt, er wolle jetzt heim, wir wären weit genug weg gewesen-ich denke er hat recht. Liebe Freunde und Menschen die ihr uns mögt, wir fahren direkt nach Mainz. Ich will und muß meine Mutter noch kurz besuchen und möchte am 4. Dezember vor dem Stadion sein. Wie wäre es wenn ihr auch kommt, so zwei Stunden vor Spielbegin gegen die Frankfurter. Das Spiel sehen wir uns dann gemeinsam bei Berouz im Shiva gegenüber dem Stadion an. Wir würden uns sehr freuen und brauchen euch jetzt auch. Bis dann, Andreas.

 * * *

 

Die lange Reise der alten Dame

DIESE GESCHICHTE IST NUR FÜR MENSCHEN GEEIGNET DIE TIERE, INSBESONDERE HUNDE ÜBER ALLES LIEBEN !!! LEIDER IST AUCH DIES EINE WAHRE GESCHICHTE !

MEIN HUNDELEBEN : TAGEBUCH - und GESPRÄCHSAUFZEICHNUNGEN/DIALOGE von und mit SHEILA DUESBERG

GUTEN TAG, mein Name ist SHEILA, ich wurde am 4.2.1995 geboren. Wie ihr sehen könnt, war einer meiner Eltern irgendwann mit einem Schnauzer liiert. Seit ich laufen kann habe ich nur ein Hobby gehabt : Rennen, Bälle fangen und nochmal rennen. Wo ich mein erstes Lebensjahr verbracht habe weiß ich nicht mehr, ich war sehr wild und wurde vermittelt, weil die Menschen die mich kennenlernten nicht mit mir zurecht kamen. Mein Fell war Schwarz-Rot, jetzt ist es eher Grau-Grau.

Danch war ich für einige Tage bei Zweibeinern zur Pflege untergebracht, bis Sabine und Andreas-just an meinem ersten Geburtstag kamen. Das war wohl Fügung und auch Liebe auf den ersten Blick, weil ich seitdem immer bei "meinen" Menschen bleiben durfte. Ich hab wohl einiges kaputt gemacht und war in meiner Jugend kaum zu bändigen, auch die anderen Hundebesitzermenschen beim Spaziergang haben gesagt : "Da steckt aber Leben drin". Ich verstehe nicht alles aus dem Leben und Arbeitsleben meiner Menscheneltern, aber die Beiden haben wohl sehr viel gearbeitet und waren nicht immer ganz glücklich. Dennoch haben sie sich stets sehr viel um uns gekümmert, wir waren eigentlich nie alleine und durften alles machen was Hunde gerne tun. Ja, ja ich hatte immer zwei oder drei Spielgefährten, Andreas ist Stunden mit uns im Wald, Feld oder am Rhein gewesen, ich hatte meinen Platz im Haus und lecker Futter. Wie lange sind wir zusammen geschäftlich im Auto zu Terminen gefahren, später dann auch in dem großen weißen Ding. Ich weiß gar nicht wo wir überall waren, wohl aber fast in ganz Deutschland, zum Fußball mit den Mainzern, aber auch oft im Außland. Egal wie, wir durften fast immer mit, zu Leuten die uns nicht mochten ist Andreas einfach nicht oder kaum gegangen. Es hat überall so gut gerochen, wenn wir untetrwegs waren, alles war neu, aber das Schönste war immer, das wir im Kloppomobil so eng zusammen waren. Sabine hab ich ja tagsüber gar nicht gesehen und dann war mein Herrchen so weit zu sagen : Schluß mit der Scheiße die mich umbringt, ein Spaziergang im Wald mit uns Felligen bringt mehr Lebensgefühl als Geld auf dem Konto. Obwohl ich so alt bin verstehe ich nichts von Geld, weil wir Hunde nur in unserem Rudel leben möchten und uns ums Futter zum Glück keine Gedanken machen müssen. Wenn es warm und trocken ist und wir zudem satt und beinander sind ist das der höchste Hundehimmel. Wir können es euch nur mit unserer Liebe und Treue danken. Außerdem ist Andreas ein Hundemensch, Sabine wird`s mit der Zeit auch noch komplett werden. Was Hundemenschen ausmacht? Sie können so denken und fühlen wie wir, das können Menschenmenschen niemals lernen, die wollen es wohl auch nicht.

Somit war seine Entscheidung am 1.Juli 2008 notariell zementiert, unser aller neues Leben begann. Zuerst hat sich zwar nichts geändert, die haben immer noch so viel gearbeitet, aber dann ist was passiert ist,worüber er noch heute traurig und böse ist.Es ging wohl wieder um Geld und Gier wovon wir Hunde nichts verstehen, aber immerhin es gab ein Ultimatum. 8. Mai 2010. Da sind wir losgefahren, auf unsere längste Reise. Mein Frau- und Herrchen, die das Geld dafür sparen und verdienen mußten, haben aber lange mit meiner Ärztin gesprochen, ob ich da überhaupt mitkannn, weil ich so alt bin. Die Hundedoktorin hat bestätigt, was ich immer wußte : Das oberste Hundeglück ist die Familie, Zusammensein ist Alles. Wie ihr wisst, ging es mir nach Moskau nicht so gut, aber dann! Was für ein fantastisches Abenteuer. Ich habe in mongolischen Bächen wie im Baikalse gebadet, Wasser aus kirgisischen Bergseen und aus armenischen Quellen gesoffen.Wir waren in heißen und kalten Wüsten, ich konnte mich auf Kräuterwiesen mit Thymianduft im ewigen Frühling wälzen, Abends hat Sabine mein Essen mit den Kräutern dieser Wiesen gespickt. ZEIT war ein neues Wort, das wir alle sechs nicht kannten. Die Bedeutung war relativ einfach, ein Kaffee im Irgendwo morgens mit uns, eine halbe Stunde länger am Feuer, mehr gekrault und gestreichelt werden, einfach nur zusammen sitzen und die Köpfe zusammenstecken-Ist das nicht das vollkommene Glück? - Der Schlüssel zur Zufriedenheit, oder die Lebensweisheit schlechthin?

Meine matten, braunen, alten Augen haben die Milchstrasse und ungezählte glänzende Seen, Lagerfeuer im Vollmond und die Weite Sibiriens gesehen. Andreas hat mit mir über die Lichterwelt von Ashgabad und Moskau gesprochen, wenn ich in der Tür stand weil meine Hinterbeine nicht mehr immer so wollten. Armenische Klöster, buddistische Tempel und ungezählte Moscheen, welcher Hund darf denn das Alles sehen? Wir haben Menschen getroffen die uns geholfen haben und wir -Hunde-haben von unseren Menschen Futter und Zuneigung wie nie erhalten. Was für ein Hundeleben !! Leider ist mein irdisches jetzt vorrüber. Wir sind halt MAINZER mit letzter Konsequenz und weil ich e Meenzer Meedesche bin, bin ich am 11.11 gestorben worden. Eigentlich wollte ich auch unbedingt zu Hause sterben, aber es ging wohl nicht mehr. Andreas hat mit Sabine schnell und richtig entschieden, das es nicht mehr reicht und Beide zusammen haben mir Einiges erspart. Ich habe kein Futter mehr bei mir behalten können und wäre verhungert, kein Arzt dieser Welt hätte mir noch helfen können. Zu Hause wäre ich wohl früher gestorben, aber die Reise und Wärme haben mir nochmals viel Kraft gegeben, mein starkes Herz hätte auch noch weiter geschlagen, aber Andreas hat mir erklärt, das ich den Todesgeruch an mir habe, wie die anderen Hunde die er einschläfern lassen mußte. Jetzt, wo ich im Hundehimmel bin und meine Ruhe gefunden habe -DANKE- möchte ich euch gerne noch etwas Angst nehmen und vom Paradies berichten. Andreas&Sabine, wann kommt Ihr? Ich habe sofort Sindy, den kleinen Charly, Emma, Sammy, Felipe und alle anderen Hunde, die Ihr hattet getroffen -es tut nicht weh! Hier kommen nur Hunde und Hundemenschen hin, worauf wartet ihr, es ist sooo schön. Meine Reise um die Welt ist wohl in Tiflis geendet, aber jetzt bin ich in der Gegenward der Unendlichkeit, alles fängt erst an und ich warte auf Euch. Natürlich könnt ihr noch einige Jahre da unten verbringen und möglicherweise noch mehrere arme Hunde die sonst sicher früh und schlimm gestorben wären retten, und in Finthen aufnehmen. Das gönne ich euch und denen von ganzem Herzen, gemessen an der Ewigkeit ist es ja nur ein Wimpernschlag bis wir uns wiedersehen, ich warte auf euch und nochmals vielen Dank für mein erfülltes Hundeleben und die letzten sechs wunderbaren Monate mit euch. In ewiger Liebe, eure altes Mädchen.Wir haben unsere geliebte Sheila sofort nach dem Tierarztbesuch beigesetzt. Ein unbekannter Taxifahrer hat uns sehr geholfen. Sie wurde in das Fell eingewickelt, in dem sie das letzte halbe Jahr schlief. Auf ihrem Halsband steht: You `ll never walk alone". Weil sie immer so viel Durst hatte, haben wir ihr eine Flasche Wasser mit ins Grab gelegt und sie dann nochmals mit einer großen 05-Fahne zugedeckt. Sie ruht am mittleren Mauerpfoten des Meridin-Hotels in Tiflis/Georgien. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne fallen auf ihre letzte Ruhestätte, mittags wenn es heiß wird wirft der Pfosten Schatten, so wie sie es gerne hatte. Mehr können wir leider nicht tun; ab der Türkei werden wir sehen wen uns der Hundegott schickt.

* * *

 

Armenien: steinreich und bettelarm

Auch an der Grenze vom Iran nach Armenien befolgen wir die Lebensweisheit "Der deutschen Philosophin"-Daniela Katzenberger (Die Auswanderer) : Sich dumm stellen kann manchmal ganz schön schlau sein. Es ist wenig los, nur LKW`s wollen über die Grenze, jedoch ein Team des iranischen TV ist bei Dreharbeiten mit rund fünfzig Militärs, alle in schicken Wüstenuniformen und reichlich dekoriert. Wir kommen wohl wie gerufen, das Auto telegen, eine Kontrolle wird inszeniert. Ich parke direkt vor der Grenzschranke, öffne die Tür der Wohnkabine und wie immer ist Angie da. Ein wahrhaftig furchtloser Uniformmensch will sich offensichtlich bei den Vorgesetzten profilieren und geht die Treppe hoch, die recht steil steht.

Kaum hat er den Türrahmen erreicht kommen die drei anderen Hunde und bellen, der waghalsige Gotteskrieger schreckt zurück, die Treppe rutscht weg und mit einem Zwischenaufsetzer fällt er rücklings vor die im Halbkreis versammelte Truppe und das Kammerateam. Alle müssen laut loslachen, auch ich kann es nicht unterdrücken, helfe ihm aber auf. Glücklicherweise hat er sich nicht verletzt. Zweifelsohne sind Chile, Oskar und die alte Sheila in der Lage Heerscharen von Militärs in die Flucht zu schlagen, unser Abschreckungspotential scheint weit höher als das von US-Marines. Der Kandidat für die iranische" Versteckte Kamera" sieht es aber auch sportlich, will jedoch nicht mehr ins Auto.Ich verteile schnell unseren Flyer, unter Gejohle und Gewinke sind wir nach nicht mal einer Stunde aus dem Iran, einem Land in dem wir uns immer sehr, sehr sicher und überaus wohl gefühlt haben. Die armenischen Grenzer sprechen russisch und sind locker drauf, finden jedoch eine kleine Spraydose Tränengas, das von uns in Vergessenheit geraten bereits vor Reisebeginn im Aschenbecher lag.

Njet Problem, kann ja mal passieren.Nur bei der Berechnung der Einreise-und Strassennutzungsgebühr stellen die Bürokraten einen neuen Rekord in Langsamkeit auf, erfreut stelle ich jedoch fest, daß viele Menschen noch viel weniger von Computern verstehen als ich.

Egal wie, am Ende werden Unmengen von Blättern fein säuberlich mit dem Lineal gedrittelt, anscheinend Landessitte da bei der Versicherungsagentur und im Hotel genauso verfahren wird. Armenien hatten wir von einem Tagesausflug anläßlich unseres ersten UEFA-Cupspiels 2005 in bester Erinnerung, ausgezeichnete Fleischspieße vom Grill, hervoragendes Bier und viele hübsche Frauen waren die Highlights von Jerewan/Eriwan. Es hat sich nichts geändert, so viele overstylte Mädels mit Beinen bis in den Himmel gab es nicht mal in Moskau, hier kann jeder Schwule umgepolt werden! Leider macht sich jedoch auch ein wenig Melancholie breit, das Ende der Reise rückt beständig näher.Färbten sich in Sibirien bereits Ende Juli die Bäume und waren die Wiesen morgens feucht von Tau, konnten wir dem Herbst durch die Südroute bis Täbris entfliehen- jetzt hat er uns eingeholt. Das waldreiche Armenien bezaubert mit einem Indian Summer vom Feinsten, bereits direkt hinter der Grenze schlängelt sich die Strasse durch üppige Vegetation auf schwindelerregenden Straßen und Höhen. In Teilstrecken überwinden wir 550 Höhenmeter auf fünf Kilometern Fahrstrecke und stoßen auf Neuschnee.

Bis sechs Grad unter Null sinkt die Temperatur nächtens, tagsüber wird die Zwanzigermarke locker überwunden. Das streng christliche Land mit seinen vielen alten Klöstern und Höhlenklöstern ist wunderschön, wir sind sofort hellauf begeistert, Landschaften in einer Mischung aus Kirgistan und dem Tessin.

Wir genießen sowohl das Feierabendbier als auch die ausgezeichnete Küche, viele hausgemachte Lebensmittel werden für die Heimat gebunkert. Kurz vor der Einfahrt in die Hauptstadt Jerewan fällt die Motorleistung des Kloppomobils rapide ab, im Schrittempo quäle ich mich die Steigungen hoch. Wir vermuten, daß der Dieselfilter nach 30.000 km. zu ist und steuern eine Tanke an.

Dort will man uns sogleich helfen, obwohl wir es auch selbst hinbekommen hätten, aber das Fahrerhaus muß gekippt werden. Das spätere Einrasten mit den Dichtungen ist zu Zweit immer aufwendig und schwer zu bewältigen.

So übernimmt ein Mechaniker den Wechsel, füllt den Filterbehälter mit Diesel auf-wir hatten die richtige Diagnose und Filter!- und beschenkt uns zudem mit Bier, Saftflaschen und Schokolade. Das passiert mir in Deutschland beim Autohaus nicht so oft. Auch zum anschließenden Espresso sind wir eingeladen, Geld will Keiner. Zum Glück können wir uns mit einigen Fanartikeln revanchieren. Der Stellplatz liegt hundegünstig oberhalb der Stadt, Analit die Empfangschefin ist hübsch,wäre die nächste Sünde wert, hat aber zu meinem tiefsten Bedauern einen Liebhaber : ARTHUR heißt der Glückliche, irgendwoher kenn ich den Namen. Egal wie, diese liebenswerte,junge Frau ist supernett und hilfsbereit ohne Ende. Da wir das Stadion unseres damaligen Gegners Mika Ashtarak bereits bei der Stadteinfahrt passiert haben, benutzen wir das Taxi für die weitere Besichtigung. Der Verkehr ist chaotisch, die Oberleitungen bedenklich tief für mein Auto und für 2 Euro kommen wir stressfrei in die acht Kilometer entfernte City.

 

Hier wandeln wir auf unseren alten Spuren, eigentlich fehlen nur die Rot-Weißen Trikos und Fahnen im Strassenbild. Leider auch in Armenien stellt sich mir die ungeklärte Frage wie die Menschen ihr Leben bestreiten können. Die Arbeitslosenquote liegt bei angegebenen 30 %, das durchschnittliche Einkommen bei 250 Euro-monatlich. Wie die Damen den Fummel und die Stilettos davon bezahlen können? Man/n waß es net, mer munkelts nur. Das Preisniveau ist dem russischem angepasst und somit nicht viel billiger als in Deutschland.  Was ich weiß und sehe, die Menschen sind tiefstgläubig. Nach dem Besuch des Wochenendflohmarkts, der unsere Reisekasse zwar auf den Kopf stellt, aber unglaublich authentisch und schön ist, endet unser Weg wieder in der Grigor-Lusavoritsch-Kathedrale, wie vor fünf Jahren. Wenngleich einige Andachtsbesucherinnen selbst für eine Pornomesse gewagt angezogen sind, tragen sie Kopftuch und gehen vor dem Priester auf die Knie... . Der wedelt freudig erregt mit dem Weihrauch. Das, was der Kirchenchor allerdings vollbringt ist in dieser akustischen Festhalle unbeschreiblich. Ein chorales Wechselspiel zwichen Altar- und oberer Emporenbühne läßt unser Blut in den Adern pulsieren. Dieser Chor war einmalig und läßt selbst den apostralen Gesang von Enigma wie einen Waisenchor erscheinen.

Wir sind beide zutiefst ergriffen und fühlen uns ähnlich einer Christmette im östlichen, buddistischem Myanmar, Weihnachten 2005. Die weitere Reise über 765 km. nach Georgien reiht neue Sehenswürdigkeiten auf: Das Höhlenkloster von Geghard ist eines unserer persönlichen Reisehighlights, eine Kathedrale der Mystik, den Sonnentempel von Garni könnt ihr euch schenken. Der Berg Ararat-dort strandete die Arche Noah, wir glaubens jetzt mal so-, ist ein ständiger wolken- oder nebelumhangener Begleiter, der allerdings in der verfeindeten Türkei liegt. Alsdann führt uns die Heimreise zum Sevansee, Nachsaison, keine Sau mehr da, wir stehen direkt an der armenischen Copacopana. Allerdings auf 1900m. Höhe und strammem Wind. Abendessen und Sonnenaufgang auf dem Klosterberg entschädigen. Leider wurde auch hier weder auf  Natur noch Umwelt Rücksicht genommen. der Wasserspiegel des Sees sank bis vor 25 Jahren um über 20 Meter, ist jedoch durch Auflagen der Entnahme glücklicherweise stabil bis steigend. Hatte ich schon einen Artikel über die "Deppheit" der Menschen geschrieben? Über weitere Klöster, extrem schöne Landschaften und liebe Menschen kommen wir nach Georgien. Dieses Land wird dann eine neue Tragik und Lebensrealität für uns bereithalten. Es hätte uns-und Jedem von euch-auch morgen in MAINZ so, oder anders treffen und wiederfahren können. Schicksal halt, brutal, hart und unabwendbar.

* * *

 

Achmadinebama

SALAM, Agha Djenab Achmadineschad; Dear Mr. President of the USA. Was hatten wir durch die West-Medien nicht alles über den Iran gehört, gelesen und gesehen. Spätestens wenn wir jemandem erzählt haben, das unsere Reise dorthin führt, wurden wir für völlig verrückt und realitätsfremd erklärt. Hassprediger, verschrobene Kleriker, radikale Muslime, Religionsfanatiker, Dauerbeschallung durch Muhezine vom Minarett-dazwischen blutrünstige schwadronierende Motorradmilizen die auf Oppositionelle mit Schlagstöcken Jagd machen. Gängelungen auf Schritt und Tritt und zu guter Letzt blauäugig-doppelsinnig-mit dem Kloppomobil durch die westlichste Achse des Bösen! Weil das nicht reicht auch noch vier unreine Hunde im Auto, da könnt ihr gleich mit Schweinen fahren, seid froh wenn ihr da lebend rauskommt! Mit Weck, Worscht und Woi ist schon mal gar nichts! Ja, ja, so klang es von überall bis zur Einreise. Zugegebenermaßen war das Land nach dem beschriebenen Grenzübertritt nicht gleich das Ziel aller Träume und ist auch landschaftlich nicht das Nirwana des Globetrotters, aber alles braucht seine Zeit, etwas Unvoreingenommenheit und Neugier. Von der haben wir reisetechnisch bekanntermaßen ziemlich viel und sind als einige wenige Individualreisende mit eigenem Auto im Gottesstaat auch für die Bevölkerung eine Attraktion. Hupe, Lichthupe, Winken, Welcome to Iran, Welcome to my town - so wiederfuhr es uns zigtausendfach während der letzten vier Wochen. 55% des Landes sind Wüsten und Trockensteppen, zumeist mit Geröll durchsetzt. Auch liegen die meisten Landesteile hoch und sind gebirgig, wir bewegten uns in der Regel auf Höhen zwischen 1500 und 2000m. Das ist bei Null, oder nur spärlich vorhandener Vegetation nicht immer ein Aha-Erlebnis; Die zurückgelegten 4691km mussten auf durchgängig guten Strassen, jedoch mit vielen steilen Passstrecken, erarbeitet werden. Die monotone Landschaft zeigt sich in Ocker-Braun-Gelbtönen, farblich auf die dürre Vegetation abgestimmt. Zum Süden hin wird es in den Bergen grüner, wenn irgend möglich wird Ackerbau betrieben, Pappeln, Weiden und resistente Platanen lockern das Landschaftsbild auf. Schaf- und Ziegenherden können anscheinend in den aridesten Klimaten überleben. Die Golfregion haben wir wegen der schwülen Hitze gemieden, hier herrschen selbst Ende Oktober/Anfang November noch Temperaturen über 40 Grad-nichts für unsere zwei alten Hunde. Auf Übernachtungshöhen von 2300m war es hingegen morgens nur noch zwei Grad warm, in Täbriz erlebten wir den ersten Reif. Nördlich des Ebrusgebirges geht ergiebigster Regen nieder, es ist sehr fruchtbar. Die Region entlang des Kaspischen Meers ist das Kiwigebiet, es gibt viel Reisanbau, das Meer war noch warm. Leider ist es völlig überfischt und verdreckt -wir sind mit den örtlichen Fischern auf Fang gewesen-, Aufwand und Ertrag stehen in keiner Relation. Zudem gibt es keine Müllentsorgung, die übrigen Anrainerstaaten betreiben den gleichen Raubbau, in meinen Augen ist es nur eine Frage der Zeit bis das größte Binnenmeer der Welt eutrophiert. Riesige Öl-und Gasvorkommen auf dem Meeresgrund werden den Prozess sicher beschleunigen, kaum vorzustellen das die Förderung strikten Umweltkriterien unterworfen wird. Die Landschaft gleicht den oberitalienischen Seen, trotzdem haben wir es als grauenhaft empfunden, da die komplette Küste einem gnadenlosem Bauboom unterworfen war und die Städte in einem einzigen Konglomerat ineinander übergehen. Wir haben 154 !!! km. gebraucht um einen Stellplatz in einem Ort am Strand zu finden, der Rest war komplett zugebaut. Riesenplakate kündigen neue Utopiehotelanlagen an die nur im Drogenrausch geplant sein können. Kein Lehrling meiner Hausbank würde denen nach der ersten Ausbildungswoche einen Finanzierungscent geben, mein Bangsterfreund Henry nicht mal das Geld für`s Parkticket der VR-Bank. Opium für das Volk ist ein weiteres Thema, Spritzen am Strand und in den Parks der Großstädte-Teheran haben wir tunlichst gemieden, ein Blick auf die Hochhäuser die aus der Smogglocke ragten reichte völlig - zeigen unmissverständlich an, das der Iran hier ein echtes Problem hat, wenngleich wir keine Junkees gesichtet haben. Einige Gescheiterte kann man aber überall-sogar in Mainz-im Stadtbild sehen. Um die Negativaufzählungen zu komplettieren, der Verkehr um die Großstädte ist ähnlich dem in Ulan Bator, wegen der besseren Straßen wird nur schneller gefahren, mein Erlebniss konntet ihr ja nachlesen. Farblich geschieht der Übergang von Wüste zu Stadt gleitend. Über häßlichste Industrievororte fährt man in Millionenstädte mit abstoßenden Wohnanlagen und Hochhäusern. Die zumeist nicht verputzten Stahl- und Betongerüste werden mit braun-gelben Ziegelsteinen ausgemauert, häßlich gefließte Fassaden zeugen vom deutschen Geschmack der frühen Siebziger Jahre. Entwässerungsrinnen führen Abwasserbrühe dem Kanalsystem zu, sofern vorhanden. Staat und Kommunen unternehmen enorme Bemühungen der Wüste Grün abzutrotzen, die Streifen in den Einfahrtsstraßen sind üppigst bepflanzt und mit Rasen eingesät, Heerscharen von Arbeitern sind mit Wässern beschäftigt. Auch innerstädtisch sind überall gepflegte Parks die gehegt werden und Orte der Kommunikation und des Alltagslebens sind. Ansonsten scheint der Iraner relativ anspruchslos, da die Freizeit gerne im Kreis der Familie oder Liebsten beim Picknick in der Peripherie verbracht wir. Bevorzugt sind Bachläufe und Aussichtspunkte die gar nicht nahe genug der Hauptverkehrsstrasse liegen können, auch der Mittelstreifen der Autobahn strahlt eine gewisse Romantik aus. Stinkender Hausmüll, Exkremente und verwesende Tierkadaver im Umkreis der Wolldecke unter fünf Metern machen erst den richtigen Kick aus. Soweit die Stadtzentren nicht durch die stets wiederkehrenden Erdbeben zerstört wurden ist man sehr bemüht alles Alte zu restaurieren und erhalten. Die Moscheen sind Zeitzeugen einer jahrtausendealten Baukunst, die Basare mit ihren Irrgärten aus überdachten Gängen, Gassen und Arkaden das pulsierende Leben schlechthin. Ein Feuerwerk der Farben und Gerüche durch das man stundenlang streifen könnte. Es gibt orientalische Restaurants mit Gärten aus Tausend und einer Nacht, Wasserspiele und gutes preiswertes Essen. Leider haben wir die hiesige Konditorenkunst erst etwas zu spät entdeckt. Auf den Märkten herrscht ein absolutes Überangebot an Obst und Früchten, Salaten, Gewürzen, Nüssen und Süßigkeiten. Auch Fleisch, Wurst und Käse gibt es gut, billig und frisch - überall im Land. Schön, das wir selbst einkaufen und kochen konnten. Das Getränkeangebot fällt reduziert aus, süße Limo und Säfte stehen hoch im Kurs. Zu Recht wird jetzt jeder sagen: Häßliche, verbaute Städte mit verdreckten Stränden, viel und billigem Essen kann ich auch in Spanien haben, dazu reichlich Suff, aber eines ist hier wirklich nicht zu toppen und ganz anders : Die Menschen. Die Gastfreundschaft, die uns widerfahren ist war uns dann fast schon wieder zuviel des Guten. Anscheinend verfügt der Iran über ein gutes Bildungssystem, fast alle jüngeren Menschen lernen Englisch und empfinden es als das höchste der Gefühle mit Travellern im eigenen Land zu sprechen. Eine darauf folgende Einladung zum Tee, Kaffe, Essen oder Hausbesuch ist die Folge. Leider konnten wir dem nicht ansatzweise nachkommen, wir wären heute noch in Mashad, der ersten besuchten Stadt im Iran. Auch die jungen Frauen, die gerne in kleinen Gruppen auftreten zeigen wenig Scheu. Es reicht schon Eine über den Zebrastreifen zu lassen um mit einem Lächeln und manchmal zusätzlichem Handkuss belohnt zu werden. Entgegnet man dem "Hallo Mister" ein Salam oder weiteres Hallo wird gerne extatisch gequiekt, gekichert und freudigst geantwortet. Mit einem Iraner unterwegs zu sein beseitigt die letzten Ressentiments, sofort wird ein munterer Smalltalk begonnen. Ältere Muslima sind ein wenig zurückhaltender, einem Austausch mit dem Reisenden aus dem Westen aber nicht generell abgeneigt, zumindest nicht mit dem weiblichen Fernreisenden. Im Anschluß kann Frau mich auch noch verstohlen ansehen oder grüßen. Männer untereinander haben sowieso keinerlei Berührungsängste, ich wurde bevorzugt mit "My friend" tituliert und/oder verabschiedet. Alle Generationen Männer sprachen Sabine an. Fanden wir uns gegenseitig nett und sympatisch und hatten uns zudem eine zeitlang unterhalten kann man sich, außer der Hand zur Verabschiedung, auch geschlechterübergreifend in den Arm nehmen und drücken. Deutsche genießen hohes Ansehen und guten Ruf im Iran, auch Frau Merkel ist überaus beliebt. Dies erstaunt mich schon ein wenig, da in den vielen Cafenets die Kids in den PC-Spielen noch immer auf Nazis und nicht auf Israelis schießen, wie ich eher vermutet hätte. Überhaupt steht zumindest die Jugend - 50% der Bevölkerung sind unter 24 Jahre alt - in regem Kontakt mit dem Rest der Welt, die Regierung zensiert das Internet nicht, jeder kann nach Belieben Ein-und Ausreisen. Viele Iraner waren in Deutschland, haben dort studiert, gearbeitet oder Verwandte besucht, jedoch auch die jungen Frauen sind trotz dem iranischen Dresscode gerne zurückgekehrt und alle waren stolz auf "Ihr" Land. Das fordert Respekt, Anerkennung und auch Nachdenklichkeit ab, ist der Iran in meinen Augen doch nur ein Schwellenland. Ohne die aberwitzigen staatlichen Spritsubventionen - wie sonst kann es zu einem Literpreis von einem bis zwei Eurocent kommen?-, würde der Warenverkehr von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen und selbst wenn der Staat autark ist, käme es sofort zu Versorgungsengpässen. Das Regime wäre in Bälde am Ende, einige Militärposten fanden Mr. Obama auf meinem Auto sogar richtig gut. Tja, und das läßt mich zu einem meiner weiteren subjektiven Eindrücken kommen Herr Achmadineschad ; Ihre Bevölkerung hat mich wiederholt gebeten über dies alles zu berichten und einiges, zumindest in meinem sehr bescheidenen Rahmen, klarzustellen. Formuliere ich es mal so: Wenn unser Oberbürgermeister, ein Herr Ben Jeutel, mit der Handkäsmafia in Capri über ein Wochenende-auf wessen Spesen auch immer-Sieben grade sein und mal so richtig die Sau raus lässt, ist das ein gefundenes Fressen für die Karnevalskampagne. Auch ein günstiges Angebot zu kleinen Umbauten oder ein zinsarmes Darlehen jucken nur die laut protestierende Opposition. Dies natürlich nicht aus moralischen Gründen, sondern weil Keiner an Sie/Die selbst gedacht hat, obwohl es doch der Mainzer Leitspruch ist: Mer kenne uns, also helfe mer uns. Nein das ist alles völlig in Ordnung, nur käme ein OB-Kandidat vier Wochen vor der nächsten Wahl auf die Idee zu sagen, die 05er sind echt Scheiße, ich war schon immer ein "Roter Teufel" und überhaupt ist Kaiserslautern viel schöner, ich mach das in Meenz nur weil ich Geld brauch-der wär ziemlich unten durch. Natürlich nicht bei Allen, aber sagen wir mal bei über 80%. So leid es mir tut, das ist eine vorsichtige Schätzung  wie hoch Ihr Rückhalt bei der eigenen Bevölkerung ist. Auch wer Schwarz trägt denkt GRÜN-die Oppositionsfarbe. Der Wahlbetrug ist so offensichtlich,das auch das Ansehen des werten Herrn Khamenei stark gelitten hat, man bezeichnet sie Beide unisono als Mörder und Verbrecher. Aussagen nach denen es weder Alkohol, Schwule noch Lesben, geschweige denn Sex vor der Ehe gibt unterstreichen Ihren Realitätsschwund. Die Menschen wollen ohne Gängelungen und Schikane frei leben und arbeiten, feiern und tanzen.Obwohl ich es sicher nicht wollte wurde mir dieses Thema immer und immer wieder unmissverständlich klar gemacht und oftmals mit einem Zeigefinger der über die Kehle fährt bekräftigt, wenn es um die Staatsführung ging. Das ist gar kein gutes Zeichen in Deutschland. Auch ansonsten scheinen viele auf Gesetz und strikte Koranausübung zu pfeifen, hinter verschlossener Tür hat die westliche " "Dekadenz" längst Einzug gehalten. Jeder macht was er will. Das stillschweigende Arrangement scheint zu sein: Maul und Durchhalten bis zur nächsten Wahl, nochmals läuft die Nummer unter den Augen der Weltöffentlichkeit nicht, hoffentlich gibt es ja doch noch eine relativ friedliche Wende zuvor. Mit wem wir gesprochen haben? Nun, da waren  einige Lehrer, LKW-Fahrer, Damenkränzchen, eine Unmenge von Leuten auf der Strasse wenn ich mit den Hunden spazieren war, Händler, Hirten,Studenten, Cafenetbetreiber, Taxichauffeure, Uniformierte, Menschen auf einer Hochzeit, Fischer, Lebensmittelhändler, Familien bei denen wir zum Tee oder Essen waren, der ganze Bevölkerungsquerschnitt außer muslimischen Würdenträgern. Vereinzelt haben Sie auch Unterstützung und ihr Konterfei ist auf Autos und Handys, aber wiegesagt - es gibt auch Lauterer und Frankfurter in Mainz die wir tolerieren. Die Religionswahl ist in Deutschland nämlich frei, Fußball ist unumstritten eine Religion. Tja beginnend von der Dieselbesteuerng für Ausländer über den Umweltschutz-so eine Wüste ist auch ein sehr labiles Ökosystem, das ewig zur Regeneration braucht-über den Ausbau der Solar,-und Windenergie würde mir vieles für das Land mit der nettesten Bevölkerung der Welt einfallen. Wie wärs außer Stauseen und Strassen das Schienennetz auszubauen? Müllbeseitigung und Recycling statt Unmengen für Rüstung und Atomenergie, oder doch nukleare Sprengköpfe? Hallo, die Amis - sorry Mr. President-, die Rüstungsindustrie der USA macht ihr Land mit Neutronenbomben und was weiß ich für Militärspielzeug, das die sicher gerne mal ausprobieren wollen, in einem Tag platt. Kolateralschäden? Wie immer die Bevölkerung, die alles will nur nicht die nächste "Mutter aller Schlachten", oder "Vater aller Bomben". Und wen im zentralen Esfahan juckt es noch ob er durch die Folgen eines Präventiv-oder Sekundärschlags stirbt? Somit Mr. Obama bitte auch ein waches Auge auf die Strategen aus Israel werfen, denen ich das gleiche Aggressionspotential wie ihrem Amtskollegen im Iran zutraue. Es steht allerdings zu befürchten, das sich Despoten mit einer solchen exekutiven Macht unsterblich machen wollen, indem sie ihre persönliche Endlösung per Knopfdruck realisieren. In den Iran würden wir aber gerne noch öfter kommen, vielleicht gibt es das nächste mal ja schon ein Bier zu kaufen. Wir wünschen der Bevölkerung die notwendige Zeit und Kraft ihr Probleme von Innen zu lösen und friedlich wie Mainzer mit Andersgläubigen in einer Stadt/einem Staat zu leben.Ansonsten kann ich mich nur dem allgemein gängigem INSHAH - ALLAH anschließen, oder wie wir sagen würden: Gottes Wille geschehe.

Eine Auflistung der Hilfsbereitschaft die uns widerfuhr, sowie der kleinen Geschenke die wir als Gesten der Gastfreundschaft erhielten kann ich wegen der großen Menge nicht im Einzelnen aufzählen. Gerne berichten wir euch persönlich nach unserer Rückkehr, oder noch viel besser:

Hinfahren, selbst rausfinden und hoffen, das an diesem Volk kein Verbrechen an der Menschlichkeit statuiert wird!! Von wem auch immer.

Ich meine das Alles wirklich sehr ernst - Andreas.

 

* * *

 

EINTRAG INS LOGBUCH des Raumschiff Kloppomobil am 30.10.2010, Galaxie Täbris, Salzsee, 19 Uhr : Morgen Horror ?

EINTRAG INS LOGBUCH des Raumschiff Kloppomobil am 31.10.2010 El-Goli-Park, Täbris 18 Uhr : Es hat BOOM gemacht! Ohne Geflunker, ich hatte ein Scheißgefühl, das irgendwas bei der Einfahrt nach Täbris mit dem Auto passiert. Eigentlich ist der Verkehr im Iran nicht ganz so schlimm wie in einigen anderen Ländern, die Autobahnen recht entspannt aber sobald man in die Städte fährt ist der muslimische Glaube an Allah grenzenlos. Alle Regeln sind außer Kraft, Jeder kämpft gegen Jeden, eine Stoßstange wird als selbige verstanden und gebraucht. Glücklicherweise ist das Verkehrsaufkommen so hoch, das es zumeist bei Blechschäden bleibt, man kann nie sonderlich schnell fahren, außer man heißt Mali und ist der Schah von Esfahan. Eine Steigerung zu Rentner mit Hut und gehäkelter Klorolle, Mercedes 200 D, Vopogrün oder Rostrot, Baujahr späte Siebziger gibt es aber doch : Muslima mit Vollschleier schwarz, schmalem Sichtfenster und dicken Brillengläsern, Schwiegermutter auf dem Beifahrersitz; oder die Apokalypse von "Schlimmer gehts Nimmer", der werte Gatte läßt sich fahren und gibt Kommandos. Die meisten Frauen fahren aber deutlich zivilisierter und umsichtiger als die Männer, sagen wir mal so ähnlich wie Swantje.

Nach einer ruhigen Nacht am Salzsee, tollem Sonnenaufgang in klarster Luft und einem genüßlichem Kaffe brechen wir auf. Einem inneren Gefühl folgend fahre ich noch langsamer und vorsichtiger als sonst, was sich leider rächt. Die linke Spur ist wegen der stetigen U-Turns und den sich bildenden Rückstaus mit abrupten Bremsvorgängen nicht ratsam, die rechte wird zum Parken, plötzlichem Anhalten zum Schwätzchen, Be-und Entladen oder Ein-und Aussteigen mißbraucht, in der Mitte geht es in der Regel am flüssigsten vorran. Die Fahrbahnen werden natürlich nicht eingehalten, wo Platz für drei Autos ist passen auch fünf durch, Abdrängen und beliebiges Überholen rechts sind völlig normal. Ich entscheide mich trotzdem für die rechte Spur, Steffi hat mal wieder ihre Tage und will nach China, irgendwann müssen wir aber auch nach rechts abbiegen. An einer Strassengabelung drängt ein Wagen ohne Rücksicht auf Verluste oder in den Spiegel zu sehen in meine Spur, ich kann nicht in den bedeutend schnelleren Überholverkehr ausweichen, bremse und betätige die Dauerhupe. Juckt den Typ überhaupt nicht da er eh zu schnell ist um den Betonhindernissen an der Verzweigung auszuweichen. Ich kann gerade noch den seitlichen Zusammenprall vermeiden, er donnert mit dem rechten Hinterrad über einen Betonpoller, soweit alles normal. Leider nicht für meinen Hintermann, der mit Schmackes auffährt, der eigentliche Verursacher hält, erkennt die Situation und gibt Vollgas. Schon mal versucht sich ein Nummernschild auf Farsi zu merken? Keine Chance! Der Versuch mir die Schuld zu geben weil ich gebremst hätte läuft sofort ins Leere, ein Fahrer der Englisch spricht bietet sich mir als Zeuge an, die Lage ist offensichtlichst. Das erkennt alsbald auch mein Unfallgegner und fragt ob er den Schaden bar begleichen müsse, was wohl seinem Jahreseinkommen entsprechen dürfte, er ist völlig fertig mit den Nerven, zumal er nur eine Versicherung für den Unfallgegner hat. Sein Transporter sieht gar nicht gut aus. Im schnell größer werdendem Stau kommt es zu neuen Auffahrunfällen, ich bestehe auf die Polizei und Schuldanerkentniss nebst Versicherungsdaten.

Mein Zeuge hat die Männer in Blau gerufen, die kommen aber wegen des gigantischen Rückstaus nicht durch und nehmen die anderen Unfälle auf. Nach einer Stunde hat sich Einer durchgekämpft, wir fahren auf die Seite und warten eine weitere Stunde. Dann wird alles protokolliert, gestempelt und unterschrieben-natürlich auf Farsi. Ich habe einige kleinere Schrammen und der Campingtisch ist im Arsch, mein Unfallgegner hatte Holz geladen welches weit nach vorne überstand, die Farbe ist angekratzt und muß teilweise neu lackiert werden. Hauptsache wir können die Reise fortsetzen, das kann der Auffahrer nicht-Zwölf Tonnen sind ein guter Prellbock ! Mein Zeuge geleitet uns auf unseren Stellplatz in zwanzig Kilometer Entfernung und zahlt auch noch die Übernachtungsgebühren, wir wären doch Gäste im Iran und sollen uns auch so fühlen. Der Holzfahrer hat mich zur Verabschiedung dreimalig auf die Wange geküßt, weil ich nicht auf Cash bestanden habe, auch darauf hätte ich verzichten können. Bar hätte er es eh niemals begleichen können, da bei Spachtelung und Lackierung in Deutschland erfahrungsgemäß schnell 3000 Euro zusammenkommen. Mal sehen, was die Versicherung im Iran so sagt, ich befürchte die sind nicht so gastfreundlich, zumal ich die Angelegenheit nicht aussitzen kann weil unsere Visa ablaufen. Da lob ich mir doch einen Auffahrunfall auf dem Mainzer Ring-da weiß man was man hat!

* * *

Qal`ch-e Cham und andere Nickligkeiten

ICH HAB`S GEWUSST, es gibt einen Haken bei den Tankkarten! Frohgelaunt will ich beginnen die 600 l die ich erhalten habe zu vertanken, prompt werde ich mit den Tücken der iranischen Tankstellen konfrontiert.

Zum einen gibt es zu wenige, so dass Wartezeiten von einer Stunde nicht ungewöhnlich sind, zweitens wird Diesel nur an LKW vertankt, sämtliche PKW fahren mit Benzin oder Gas. Sollte eigentlich kein Problem sein, wären da nicht die gigantischen Dieseltanks der Brummis. Zum Standardtank mit 1000 l wird gerne ein weiterer mit mindestens der gleichen Menge eingebaut, die Zapfpistolen sind auf  Flugzeugbetankung ausgelegt. Es ist ein fast unmögliches Unterfangen die beiden Großen jeweils fast 300 l. fassenden Tanks unseres Gefährts zu füllen, da sie - um Spritklau vorzubeugen - eng unter der Wohnkabine angebracht sind.

Der Tankstutzen läßt sich nur teilweise in den Tank einführen, die Befüllung ist nur mit gehaltener Pistole in Tröpfchenweise möglich, es ist nur eine Frage der Zeit bis ich mit Krämpfen aufgebe, da ich den Haken nicht einrasten lassen kann.

Gebe ich ein wenig zu viel Druck, was zwangsläufig der Fall ist, schwappt alles über, ich bin in Diesel gebadet und stinke wie Red Adair. Auch eine Stopautomatik bei vollem Tank ist zumeist nicht vorhanden. Die Krönung zum Schluß, der dreiste Tankwart will einen Euro und zehn Cent!!! Allerdings pro 100 l Diesel - na gut. Da wir an die 5000 km. im Iran zurücklegen wollen und mit fast leeren Tanks eingereist sind ist bei einem Verbrauch von 25 l. plus X auf 100 km. das nächste Problem da, die Karte ist nicht Wiederaufladbar. Mali gibt uns einen Bodyguard mit Fahrer und Auto die sollen das Problem lösen, wir folgen mit dem Kloppomobil. Die Beiden sprechen Trucker an der Tanke an, die uns jeweils 100 l. auf ihre Karten tanken lassen und mit einem 05-Pin belohnt werden. Anschließend fahren wir zum notwendigen Ölwechsel - wir haben warum auch immer die falschen Ölfilter dabei, zum Glück hat die Ölstation einen passenden - und lassen 20 l neues Motoröl einfüllen.

Eine Werkstatt am anderen Ende der Stadt stellt die Handbremse nach, dann geht es noch ins Internetcafe. Gesamtdauer über fünf Stunden, dafür aber 350 l zusätzlichen Sprit in den Tanks und Wartungsarbeiten bis in die Heimat hoffentlich abgeschlossen. Der Preis für alles umgerechnet 70 Euro, es könnten auch 60 sein, rechnen ist nicht die Stärke der Beiden - wir geben ihnen 100. Zufällig treffen wir Arthur wieder, er hat einen Schrieb auf Farsi zur Hand, in dem um Diesel gebeten wird. Das klappt seither vorzüglich, ich schnorre immer 100 bis 120 l, verteile ein kleines Geschenk und habe einen neuen Freund, die Fahrer kriegen sich kaum ein vor Freude, den Euro zahlen wir dann liebend gerne. Da der kleine Tank mehr Spiel hat und die großen voll bleiben, werden wir mit über 700 l das Land verlassen, wofür wir dann rund acht Euro gezahlt haben. Leider wird fast der komplette Warenverkehr des Iran über die Strasse abgewickelt, alle größeren Städte sind in eine Smogwolke getaucht, besonders im Großraum Teheran reihen sich die LKW`s wie an einer Perlenschnur aneinander, PKW`s sieht man auf den Überlandstrecken nur wenige.

Jetzt, wo wir den Tankbogen raushaben fahren wir mit Vollgas kreuz und quer durchs Land, begeben uns aber letztendlich auf  Nordwestkurs Richtung Kaspischem Meer und Armenien. Da Steffi recht gut dauf ist, vertrauen wir ihren Abkürzungen meistens und fahren einige Nebenstrassen. An die Militärsperren sind wir gewöhnt, zumeist werden wir durchgewunken, oder nach Präsentierung unserer Karte mit den besten Wünschen verabschiedet. Das scheint auch 200 km. vor Teheran der Fall zu sein, allerdings folgt uns ein Zivilfahrzeug über mehrere Kilometer bis ein Rotlicht auf`s Dach gesetzt wird. Ich werde angehalten, die übliche Kontrolle. Dauert heute aber etwas länger, man macht uns mit Händen und Füßen verständlich umzukehren und zu folgen. Offensichtlich sind die Beamten in Zivil irgendeinem Geheimdienst zugehörig und wichtiger als Normaluniformierte. Die Reise endet vor einer Polizeikaserne, die wir zuvor passiert hatten.

Ich darf durch ein massives Eisentor ins Innere, Sabine hat im Auto zu warten, es sieht aus wie in einem Westernfort. Pässe und Papiere sind erst mal weg, ich stehe dumm vor einem vergitterten Büro rum. Ein untersetzter Ziviler tritt nach angemessener Zeit raus und gibt mir die Hand. Das habe ich mir bei allen Uniformierten auch angewöhnt, eigentlich eine nette Geste, bevor man den Polizeiknüppel auf die Nuss bekommt.

Das werde ich mir  in Deutschland bei Derbys gegen die Feindtracht und den abstiegsbedrohten Verein aus dem Hinterland aber wieder abgewöhnen. Aus der Kaserne kommen zu den Strassen- und Torwachen, allesammt mit Schnellfeuerwaffen und Pistolen bewaffnet immer mehr Uniformierte zusammen, alle inspizieren unser Gefährt von Innen - Zivilpolizei - und Außen - Uniformierte.

Der Untersetzte, der wohl der Oberkommandierende ist, wird auf Lady Liberty und Herrn Obama aufmerksam gemacht, was nicht zwingend nötig gewesen wäre, die in Uniform finden Angie ganz toll. Wir verteilen unsere Karten und um Sympatiepunkte zu sammeln eine Runde kleiner Souveniers.

Das sorgt für Tumult, alle Wachen verlassen ihre Posten, auch die Strassensperre denkt nicht mehr an Kontrolle. Prompt gibt es  Mecker vom Chef, hilft aber nichts weil alle nur ums Auto laufen um weiter ihre Neugier zu befriedigen. Mittlerweile sind es über zwanzig Mann, alle sehr freundlich. El Commandante nimmt mich jetzt an der Hand und bringt mich wieder auf den Kasernenhof, Karte, Pin und ein Feuerzeug verbessern auch seine Laune deutlich. Da er mich auch nicht fragt was ich gerne noch mal essen möchte, oder ob ich noch einmal eine rauchen will, kann es eigentlich nicht so schlimm werden; hoffe ich zumindest. Der Beamte der mich gestoppt hat, notiert sich alle Passdaten in ein Buch, gut PC haben sie nicht, da kann auch keiner wegen der Rundmail oder dem letzten Bericht Stress machen. Ich erhalte die Pässe zurück, wir müssen aber warten, man müsse mit Teheran telefonieren. Mist, die haben sicher PC`s.

Während ich zum Auto zurückgehe schenkt mir eine Wache einen halben Kaugummi (Wrigleys grün!), zu den über Zwanzig hat sich ein Offizier gesellt, er und ein Weiterer sprechen ein paar Brocken Englisch. Ich erkläre die Deutschlandkarte und die Vereinsaufkleber, die Herren geben alle Infos an die Untergebenen weiter. Darüber, das wir gestern in Leverkusen gewonnen haben weiß "Mann" Bescheid!! Alle sind superlieb auch wenn sie nicht so aussehen, könnten aber etwas mehr auf ihre Waffen achten, die doch sehr locker baumeln. Überhaupt sind einige Pistolen mit Tesa am Knauf geklebt, die Uniformen und Kampfanzüge sehen ziemlich gewürfelt aus, einige tragen Badeschlappen ohne Socken, alle wollen mit mir sprechen. Guter Moment für weitere Bonuspunkte, ich schmeiße auch ihnen eine Runde Weber-Feuerzeuge. Jetzt ist Rosenmontagsstimmung, jeder bedankt sich persönlich, die militärische Ordnung ist dahin. Der nette Offizier zeigt mir ein Riesenplakat von Ayatollah Khamenei an den Kasernenmauern und endlich verstehe ich den Grund der anfänglichen Aufregung: Qal`ch-e Cham ist der Geburtsort des obersten schiitischen Würdenträgers und Staatsoberhauptes, der legitime Nachfolger Imam Khomeinis.

Deshalb die große Präsenz von Militär und Geheimdienst. Mainzer mit so einem Auto und vier Hunden müsse man sich da schon mal genauer ansehen - verständlich. Man hat uns mittlerweile erst Becher und dann eine Flasche mit Wasser gereicht, jetzt kriegen wir auch noch zwei Poster von K&K geschenkt. Gerade als ich die komplette Truppe zum Erinnerungsbild vor dem Auto positionieren will, kommt der Chef , erklärt das alles in Ordnung wäre und entschuldigt sich vielmals für die Unannehmlichkeiten der letzten Stunde. Das mit dem Foto ist ihm dann aber doch zu viel des Guten, alle kriegen wieder Anschiß und sollen auf ihre Posten. Ich werde umarmt und gedrückt, auch die beiden anderen Zivilpolizisten verabschieden sich ebenso freundschaftlich, hätte ihnen echt leid getan mich zu erschießen. Die Drei ziehen ab, der Rest kommt eiligst wieder aus den Ecken um genauso herzlich Tschüß zu sagen. Das keiner in die Luft schießt ist eigentlich alles.

So wird halt mit Schußwaffen und Armen gewedelt, als ich unter Gehupe wende und Kurs auf Teheran nehme, K&K kleben an der Tür, kann vielleicht bei der nächsten Kontrolle nicht schaden.

                                  

So nett habe ich mir die Revolutionsgardisten nicht vorgestellt und das gilt bisher ausnahmslos für alle Uniformierten im Iran! Andererseits macht der Viertelsbutze in Mainz nicht so ein Tamtam wegen Kardinal Lehmann, wenn ich vom Theater über den Dom in die Altstadt laufe

                                      

. Meenzer derfe wohl viel, aber ned alles, Grüße in die toleranteste Stadt mit ihren iranischen Mitbürgern, unser aller schönes Mainz.

* * *

DER SCHAH VON ESFAHAN

Über Tabas, die Pilgerstädte Chak Chak und das schöne Yasd mit seinen Windtürmen, Arkaden und überdachten Altstadtbasaren gelangen wir nach Esfahan, wo wir eine letzte Kontaktadresse haben. Wiederum fügt es sich, das Mali, der Bruder eines Mainzer Gastronomen, just an dem Tage seinen Auslandsurlaub beendet, an dem wir eintreffen. Zur verabredeten Zeit am nächsten Morgen erscheint der vielbeschäftigte Geschäftsmann pünktlich und heißt uns überschwenglich Wilkommen. Da mich Steffi am Vortag mittig durch die Millionenstadt gelotst hat und ich so ziemlich alle Verkehrsregeln brechen mußte um den GPS-Stellplatz zu erreichen, sind wir sehr erfreut, das er uns zum Einkauf chauffiert.

Wir fahren in einen Supermarkt, in dem es neben Wutzewurst auch Edelsalami eines deutschen Discounters gibt, überhaupt ist von Bitburger Alkoholfrei bis Nutella alles vorhanden. Der Besitzer wäre Malis bester Freund, wir sollten nur nehmen was wir wollten, alles ein Geschenk des Hauses. Das ist uns dann doch erstmal zuviel des Guten und wir bestehen auf Bezahlung. Mali ist permanent damit beschäftigt auf mindestens zwei Handys gleichzeitig zu telefonieren und sich zudem mit uns und der Belegschaft dröhnend  zu unterhalten. Auch der benachbarte Metzger gehört zu seinen besten Freunden, für über 6 Kilo Fleisch zahle ich nur zehn Euro.

Das wäre genug werden der Metzger und ich belehrt. Mit spottbilligem Obst und Gemüse sind die Grundbedürfnisse befriedigt, wir werden unter lauten Dauergesprächen zum Camper gefahren, er will uns pünktlich zum Mainzer Spiel gegen den HSV abholen. War es vormittags der schnittige Stadtpeugeot, kreuzt der Vieltelefonierer nun im nachtblauen riesigen BM Double-U auf. Da ich aus Kosten- und Hundegründen eher mit kompaken Kleinwagen vertraut bin, staune ich nicht schlecht was die deutsche Oberklasse außer weißem Leder und viel Holz im Innenraum so zu bieten hat, in dem Auto war definitiv noch nie ein Hund.

Mit der Bemerkung "Best car in town" biegen wir auf die Stadtautobahn um pünktlich da zu sein. "Tooo fast for Mali" ist sein nächster Kommentar, während er hartnäckig auf dem Gaspedal rumtritt, wobei er kaum über die Motorhaube schauen kann, aber allen Freunden per Mobile von den Mainzern in town berichtet. Zu drei Handys gesellt sich nun eine Freisprechanlage, die Fernbedienung der Steroanlage ist ihm noch nicht so geläufig, die Unmengen beleuchteter Tasten und Regler auch nicht, es blinkt in allen Farben. Wir werden aufgeklärt, das die Familie im Christenviertel wohnt, weil es da ruhiger wäre und unser Gastgeber das beste Haus der Stadt hätte, was bei zwei Millionen Einwohnern aber schwer fallen dürfte. Angeblich betreibe er einen Buderus Heizungs- und Kühlgerätevertrieb. Ein auf dem Weg liegender Laden in dem sich der Verkäufer langweilt, bei Anblick seines Chefs aber eiligst und unterwürfigst auf die Straße eilt, hält unsere Erwartungen in Grenzen, bis wir in eine enge Straße einbiegen. Per Knopfdruck öffnet sich ein großes Schiebetor, wir fahren in den teilüberdachten Hof und parken.

Na ja, ein fünfgeschossiges Appartmenthaus denke ich, bis der stolze Besitzer beim Eintritt in die Marmorhalle erklärt, das Alles sein Eigen sei. Erdgeschoss bis einschließlich 4. Stock wäre von diverser Verwandtschaft bewohnt, die Penthousewohnung von ihm und seiner Familie. Ein verspiegelter Fahrstuhl fährt uns laulos dorthin, rechter Hand eine gewaltige Tür. Als die sich öffnet bleibt mir die Spucke gleich doppelt weg: Ein feenhaftes Wesen mit Engelslocken öffnet, die iranische Ausführung von Shakira bittet uns hinein.

Die offene Küche geht in einen riesigen Wohnraum auf zwei Ebenen über, ein Esszimmer/Salon schließen sich an. Alles ist sehr Barockkoko mit silbernen und goldenen Stühlen, Spiegeln und Lampen, der Kronleuchter war dem Sultan von Brunei zu teuer. Shakira tänzelt vor uns zum Heimkino, mein Sitzplatz im Bruchwegstadion ist erkennbar besetzt, das Stadion singt mit Innbrunst "You never walk alone"-Punktlandung. Ich hoffe, das ich jetzt Shakira als Gastgeschenk bekomme und überlege schon wie ich Sabine die neue Haushaltshilfe im Kloppomobil schmackhaft mache, werde aber erst mal Frau und Sohn vorgestellt, der Engel heißt Toya, ist die Tochter und spricht ausgezeichnet Englisch. Mali verschwindet, die Mannschaften laufen ein, Shakira tänzelt, Mali kommt im 05-Trikot mit der Trommel die wir ihm geschenkt haben zurück, reichlich Heinekenbier im Arm.

Das ist kalt und mit Alkohol, ein Genuß nach neun Tagen süßer Limo. Das mit der Trommel war keine gute Idee, da der Hausherr das gute Stück nach Kräften malträtiert, ohne jedes Taktgefühl aber so laut, das die Stadtmauern erbeben. Toya tischt eine gigantische Obstschale, Pistazien und Salziges auf, stets einen neuen Hüftschwung probierend, an Fußball ist nicht zu denken.

Ich nehme an, das die Idioten die sich als Selbstmordattentäter melden und in die Luft sprengen sich das Paradies so vorstellen, die Frau wäre schon eine Sünde wert. Wetti wehrt zur Ecke ab, Shakira beginnt Trauben zu essen, erotischer als Kim Basinger in 9 1/2 Wochen, die mir dagegen wie Helga Feddersen im Ohnesorgtheater vorkommt. Frank Rost wehrt zur Ecke ab, Shakira ißt weiter Trauben, erleichtert stelle ich fest, daß die Bananen ganz unten liegen, werd aber langsam depp. Mali holt neues Bier. War der schon völlig talentfrei im Umgang mit der Trommel, steigert sein Sohn dies ins Unermessliche. Der Kerl ist musikalisch gesehen eine biblische - sorry - koranische - Plage - ,ich überlege den Bankert samt Trommel aus dem fünften Stock zu werfen und mit Toya und Sabine nach Armenien zu fliehen. Auf Beziehungen zwischen Muslimen und Ungläubigen steht zwar die Todesstrafe, zum Koran will ich auch nicht konvertieren, aber es wäre wenigstens vorübergehend Ruhe.

Mali holt noch mehr Bier, ich sollte das Feenwesen wenigstens fragen ob es mitkommt, die Trauben sind fast alle, die Bananen rücken bedenklich nahe-Halbzeit. Hat der Moderator von TV Dubai 2 schon in jedem Satz mindestens fünfmalig Mainz untergebracht, können die Halbzeitkommentatoren das locker toppen. Der Wontorra sieht hier aus wie Kevin Kurani und spricht auch so, der Co wie ein arabischer Udo Lattek Alkoholfrei.

Udo scheint in der Schule nicht der hellste gewesen zu sein, da er anscheinend alle Fragen mit Mainz oder Ja beantwortet, die Trauben sind alle, Shakira entschwebt - zum Glück. Bali kippt Bier über die teuren Seidenteppiche, holt aber weiterhin munter neues. Jetzt sehe ich ein sensationelles Tor von Poldi, anschließend das "Sonnentor" der Saison in der 92.Minute. Schwarz-Gelbe Menschen sind völlig aus dem Häuschen, der Taufpate unseres Autos desselben, erstmalig wünsche ich es ihm nicht so wirklich. Kevin und Sonderschüler Udo sagen wieder Mainz, es wird live ins Bruchwegstadion geschaltet. Whow, es sieht regnerisch, windig und kühl aus, Dinge die wir seit Monaten nicht mehr kennen. Dann kommt mein lieber Bekannter und Mombacher Ortsvorsteher, Ansgar Helm-Becker ins Bild, der dem Bundesyogi und Assistent gestattet hat neben ihm zu sitzen. Ansgar sieht zufrieden wie immer aus, scheint aber während der letzten 162 Tage aus Sorge um uns einige Sonderschichten Bier und Chips eingelegt zu haben, abgenommen hat er sicher nicht.

Die Plage ist ins Kinderzimmer, Ali singt Fußballieder und verkippt weiter Bier, der nächste Schnitt zeigt einen Mainzer Fan, der ergiebig in der Nase bohrt und zufrieden das Resultat seiner Bemühungen begutachtet, die Kammera hält über 30 Sekunden in Großaufnahme drauf. Schöne Grüße aus Mainz an den Rest der Welt! In Halbzeit Zwei sehe ich viele neue Spieler die Calli Gui, Old Bee und ähnlich heißen, Eller wurde ja schon in der ersten Halbzeit ausgewechselt.

Irgendwie ist das Spiel sauschnell, anscheinend gibt es jetzt Geldstrafen, wenn der Ball über zwei Sekunden gehalten wird. Für Svenni Demandt wär das ja gar nix mehr. Mali ist weiterhin um Stadionatmosphäre bemüht, holt und verkippt wohlgelaunt Bier und serviert Würstchen aus Holland. Natürlich telefoniert er unablässig weiter und scheint Spielwetten abzuschließen. Das Wesen betritt wieder den Raum, es hat sich ein wenig aufgedonnert um sich mit Freundinnen zu treffen - wer`s glaubt. Das Kopftuch ist eher ein String, auch das restliche Outfit erscheint mir mehr als grenzwertig für den Iran. Ich will mit, mir fällt aber partou keine plausible Erklärung ein warum ich ein 05er Spiel mit reichlich Bier und Essen, noch dazu im Iran, verlassen sollte ohne Sabines Mißtrauen zu wecken.

More Heineken? Pfosten hier, Pfosten da, die Ultras und Mali trommeln um die Wette, die Abwehr schwimmt, es Nikolche kämpft, ein Holländer und Guerero machen sich unbeliebt, Svenson geht das alles viel zu schnell, Minute 89-schlagartige Ruhe.

Im Anschluß versucht T.T. Herrn Dr. Brych noch die Uhrzeit zu erklären, der schüttelt mit dem Kopf. Kevin und Udo erscheinen wieder, die anderen Partien werden in Würmchenschrift eingeblendet. Vorwürfe unsererseits: Hätten wirs nicht gesehen, hätten wir nicht verloren, was man halt so denkt. Das Bier ist alle, wir bewundern den Blick über das nächtliche Esfahan, Mali will aber demnächst weiter. Jedoch nicht bevor wir den Rest der Wohnung begutachtet haben, inclusive seines Arbeitszimmers, das sich als bestens gefüllte Bar präsentiert. Toya ist mit einem gegelten Halbaffen in ihrem Zimmer gerahmt, ich mahne den Koran an, der Sex vor der Ehe verbietet, stelle die Konkurenz als Erbschleicher dar und bestärke Mali, die Tochter erst mal nach Perth/Australien zwecks weiterbildendem Studium zu schicken. Das hört er gerne, vor 30 wäre mit Heirat schon mal gar nichts drin und der Gerahmte eh nicht. Das lief schon mal gut!

Die Wohnung hat außer goldenen Wasserhähnen alles Erdenkliche, jetzt ist es Zeit die Schwimmhalle zu besichtigen. Leider verfahren wir uns mit dem Fahrstuhl, was auch nicht so einfach ist. Die olympisch dimensionierte Badelandschaft mit allerlei Fitnessgeräten, Sauna und Whirlpool war dann doch nicht im dritten, sondern im zweiten Untergeschoß - kommt vor. Munter angeheitert düsen wir jetzt wieder BM Double-U, keine neuen Erkentnisse-"Tooo fast for Mali".

                           

Geparkt wird mittig einer 6-spurigen Geschäftsstrasse, direkt vor dem Hauptgeschäft unseres Gastgebers. Eiligst kommen vier sich verbeugende Angestellte aus dem Shop, die sich geben als sei der Pate persönlich erschienen. Nur der Kniefall und Kuß des Clanringes fallen aus, Mali trägt überhaupt keinen Schmuck was eigentlich so gar nicht ins Gesamtbild passt.

Vor dem Geschäft Parkende räumen ad hoc die Stellplätze, Mali beteuert glaubhaft, das ich Herbert offen im Auto liegen lassen könne, keiner würde es wagen ihn zu klauen. Mittlerweile bin ich geneigt ihm zu glauben. Die muskulösen Angestellten werden mir als Geschäftsführer, Bodyguard mit schwarzem Gürtel, Fahrer und kaufmännischer Angestellter vorgestellt. Alle sehen sehr durchtrainiert und kräftig aus, war doch gut das ich den Trommelvergewaltiger nicht aus dem Fenster geschmissen habe. Wie in Malis Haus, Schwimmbad, Lobby und Kellerräumen stehen auch hier palettenweise ungeöffnete Kartons, in Plastik verschweißt. Da in den nächsten zwei Stunden nur ein Kunde die Verkaufsräume betritt, der aber mit einer Quittung und ohne Bezahlung wieder abzieht, nehme ich an, das unser Permatelefonierer einen schwunghaften Im-und Exporthandel mit allerlei Handelsware betreibt, so genau will ich es aber gar nicht wissen.

Im Fernseher läuft die italienische Seria A, im Büro das von der Strasse nicht einsehbar ist das kalte Bier. Ich darf mit mehreren Leuten telefonieren die ich nicht kenne, verkünde jeweils wie schön der Iran und Toya sind, wir werden weiterhin mit allerlei Knabberkram verköstigt. Nach zwei Stunden ist fertig mit Telefon und Bier, allesammt angeschuckert fahren wir zum Dinner. Im Restaurant mit orientalischem Look gibt es zwar kein Bier mehr, dafür aber Springbrunnen und Wasserläufe im beleuchtetem Garten und den sehr geschmackvollen Innenräumen. Das Essen kann auf Sofas halbliegend eingenommen werden und schmeckt vorzüglich. Auf dem Double-UC werde ich vom Tagessponsor noch über die Libido des Iraners im allgemeinen und des Gastgebers im speziellen aufgeklärt, dann ist Zeit zum Auto zurückzukehren.

Mali stellt sofort fest," BM Double-U tooo fast for me", als er mit über Tempo 100 die Polizei rechts mit Hupe und Lichthupe überholt, natürlich in der Innenstadt.

Ich meine noch, das das in Deutschland zu durchaus empfindlichen Sanktionen führen kann, zumal nach diversen Bier, er lacht aber nur und spricht: Police in Esfahan no problem for Mali. Stimmt wohl auch, ohne Kontrolle erreichen wir den Stellplatz. Für den nächsten Tag wird uns eine Stadtbesichtigung versprochen. Pünktlich erscheint der Handyman mit einer Professionellen. Ihr Künstlername wäre Moshi, er hätte sie schon für den ganzen Tag bezahlt, sie wäre willig und würde machen was wir gerne hätten, er buche sie öfter.

Extrawünsche würden auch befriedigt, hierfür hätte sie schon Zusatzgeld erhalten. Mali himself müsse leider dringenden Geschäften nachgehen. Danke, von einer ausgebildeten Touristenführerin können wir endlich mal einiges hinterfragen und müssen nicht unser ganzes Wissen aus dem Reiseführer beziehen.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit besichtigen wir das wirklich sehr schöne Esfahan, besuchen ein Teehaus im Park und speisen vorzüglich in einem weiteren landestypischem Restaurant mit lokalen Speziallitäten zu Mittag. Eintritte, Taxi, Essen, Reiseleitung-alles inclusive. Nochmals vielen, vielen Dank. Um 19 Uhr werden wir von den Bodyguards abgeholt und in das Büro des Vorabends gebracht. Es gibt reichlich Pistatien, Salziges, eiskaltes Bier und... ! Tja lieber Leser, glaub es oder nicht, aber so hat es sich zugetragen, nur die Namen habe ich aus nachvollziehbaren Gründen ein wenig geändert, es könnte auch sein, das sich das alles in Yasd, Mashad, Qom oder war es Shiras?, zugetragen hat. Bei so vielen Städten kann man schon mal was verwechseln. Freut euch schon mal auf neue Abenteuer an der Tankstelle, in der Werkstatt und beim Ölwechsel und grüßt den Ortsvorsteher Ansgar von Mombach, der NO-GO-Zone des schönen Mainz.

* * *

IRAN - Die Achsel des Bösen

Fahr ich Mittags so durch die Wüste Khorasan im Nordostiran und frag mich mal wieder: Hallo, träum ich oder ist das wirklich wahr? 159 Tage unterwegs. 26.000km. gefahren, davon auch schon wieder über 1000 im Gottesstaat - so ganz begreif ich noch immer nicht was ich gemacht habe, wo ich war und bin. Letzteres eigentlich schon da ich mich noch gut an die zurückliegende Grenze erinnern kann. Im frühen Morgengrauen brechen wir mit nur einem Agenten Richtung Iran auf, um das Land des Teppich - und Pferdeministeriums zu verlassen. Die Lkw`s stauen sich kilometerlang, wir folgen dem Fahrer direkt bis vor den Schlagbaum, der sich prompt für uns hebt. Manchmal doch nicht schlecht wenn man mit dem Secret Service unterwegs ist, die Wartezeit pro Lkw schätze ich bei der Abfertigungsgeschwindigkeit auf mindestens 3 Tage.

Auch so ist Bachtiar eine große Hilfe und das Trinkgeld wert das wir eigentlich vertanken wollten - den Tankstopp hatte er leider "vergessen".

Eine weitere Neuerung an dieser Grenze: Punkt 12 lässt Alles & Jeder den Hammer/Stempel fallen und begibt sich zu Tisch. Die Ranghohen gehen hinten raus um sich vorne in ein bereitstehendes Auto zu setzen, das sie zum Lunch chauffieren. Die mittleren Ränge werden von einem Bauern beliefert, oder packen den Henkelmann aus, das Fußvolk marschiert mit dem Blechnapf in die Kantine. Das erinnert mich sehr an meine Internatszeit. Lkwfahrer und Touristen - das sind nur wir - warten, außer uns wollen nur drei Fußgänger vom Iran nach Türk. Nach der Pause knallt ein Mittlerer - die Oberen sind noch weg, eine Stunde Mittag ist auch sehr knapp bemessen - die Reststempel rein und wir fahren über eine Brücke in das frühere Persien. Die Grenzer nehmen uns sofort die Pässe ab und fordern mich auf weiterzufahren. Gemacht, der Nächste ist der Customer Außendienst.

Der klopft mit einem Hammer auf die Dieseltanks - Denkt wohl wir schmuggeln Eulen nach Athen - um dann ins Auto zu sehen. Angie steht an der Treppe, Tür sofort wieder zu.

Fahrerhaustür auf, Oskar wird wach und hebt den Kopf, Tür mit Schmackes zu - fertig. Buntes Papier mit Stempeln und Tschüß. SCHade, hätten wir Bier bunkern können! Anschließend geht es zur Desinfektion mit Waschanlage, die für uns aber unbegründet ausfällt, um dann wage zu erfahren wo wir unsere Pässe wiederbekommen.

Wir ist falsch, in der iranischen Gesellschaft ist die Frau so viel wert wie ein Hund, für die sich auch keine Sau/Eber interessiert. Alle Männer sprechen nur mit mir: your dog and wife sit and wait in car. Hier kannst du Ursula von der Leyen als Jungfrau Maria ausgeben, die kommt rein, Hauptsache das Visa ist mit Schleier. Unter den Chador guckt eh keiner.

Das Carnet de Passage wird abgestempelt, die Motornummer kontrolliert - Oh bücken, stimmt schon mein Freund -, anschließend bekomme ich einen Helfer für Einreisegebühr, Versicherung, Dieselgutscheine, Routenplanung, Bankgeschäfte und restliche Stempel. Meine Perle brabbelt wie Rolf nach 15 Bier und Auswärtssieg in Barcelona, leider nur auf Farsi.Sein Englisch: Jäss, Nooo, Kamkam, Gud (Yes, no, come, good).

Die einzelnen Schalter sind in verschiedenen Gebäuden untergebracht, keiner scheint von der Existenz des Anderen zu wissen. Zu guter Letzt zahle ich nach einer nicht nachvollziehbaren Formel-Where come? Mercedes?, no, Mercedes Benz or Daimler Benz?, not MAN?, where go? which color? Okay, okay!- 222 Euro für die Einreise und 90US $ für 30 Tage Versicherung, billiger als erhofft. Die Versicherung sollte zwar auch erst in Euro sein, aber auf Nachfrage waren Dollar im Kurs 1:1 genauso recht.

Die Bank hatte kein Wechselgeld, deshalb hab ich zwei Dollar auf  220Euro draufgelegt und dafür 5000 Rial und ein Bonbon als Wechselgeld bekommen. Wird schon stimmen! Leider hat man vergessen mir Tankgutscheine zu geben, was mein Begleiter Kamkam aber noch bemerkt, ich darf eine Ehrenrunde laufen. Die Belohnung hierfür sind zwei Tankkarten mit 600l. Dieselguthaben - welcome to Iran. Wir verfahren uns, Steffi kommt aber in Form und nach einer guten Stunde biegen wir unbehelligt in die Wüste zum Grillen und Nächtigen ab. Dreihundertdreißig Minuten für diese Grenze sind wirklich gut und wären wir fünf  Minuten vor der  Stempelpause gekommen war‘s fast rekordverdächtig. Hoffentlich ist die Ausreisegrenze an den Hunden genauso desinteressiert wie die Einreise, dann wäre die Nummer endgültig durch, ein wenig Bammel vor der 13. Grenze hatten wir schon. Wir haben die GPS-Daten von einem verkehrsgünstigen Stellplatz in Mashad, der Großstadt im Nordosten Irans mit über 2,5 Millionen Einwohnern. Die Angabe ist korrekt, liegt der Campingplatz doch mittig einer 12-spurigen Stadtautobahn und am Anfang/Ende der Start-und Landebahn des gut frequentierten internationalen Flughafens.

                                 

Zu allem Überfluß ist Wochenende und tausende Pilger bevölkern den Campingplatz. Mashad wird jährlich von zig Millionen Muselmännern und Muselfrauen besucht, die im Imam-Reza-Heiligtum eine Andacht abhalten wollen. Für Schiiten ist das der heiligste Ort Irans, für Ungläubige gesperrt, da man beim Gebet gerne unter sich bleibt. Unser Taxifahrer, der mich zu seinem neuen Glaubensbruder erkoren hat sieht das ganz anders und schleust uns in den zentralen Bereich, fotografieren ist überall strikt verboten. Ein wenig mulmig ist uns schon unter tausenden Pilgern,die sich zum Gebet auf unzählige Teppiche knien, die Frauen alle im schwarzen Chador, Sabine inclusive, allerdings ohne geplante Huldigung Allahs oder Mohameds. Zuvor gab es strenge Leibesvisitationen, natürlich strikt nach Geschlechtern getrennt. Im Iran geht diese Trennung bis in den öffentlichen Nahverkehr, wo alle Männer vorne und alle Frauen hinten, z.B. im Bus,sitzen.

Der Andrang beim Einlaß macht es überdeutlich, die Achsel des Bösen, wie des Guten Iraners stinkt zum Himmel, bei Gleichberechtigung der Geschlechter. Sabine war in einem atemberaubenden und sorgfältig abgeschirmten Raum mit den anderen Verschleierten, bei mir wars zumindest im Freien, die Leibesvisitationen kennen aber keine Tabuzonen. Die Angst vor einem Anschlag ist immens hoch. Auch die Pilger auf dem Campingplatz haben durchweg auf die nicht vorhandene Dusche verzichtet und in dünnen Zelten auf dem nackten Asphalt übernachtet. Hier passten aber locker 8 Personen-gemischtgeschlechtlich- in ein Zweimannzelt. Die Treffsicherheit auf den Stehklos ist im alkfreien Gottesstaat jedoch deutlich höher als in zuvor bereisten Destinationen, dafür weiß der Pilger im allgemeinen wenig mit einer Wasserspülung anzufangen. Egal wie, die Frisur sitzt immer und obwohl Katholik möchte ein jeder Mann mein Freund oder Bruder werden und sein.

Das durfte bis jetzt aber nur der Taxifahrer, der uns zum opulenten Mittagessen mit allen erdenklichen Speisen und Getränken, sowie anschließendem iranischen Eis - superlecker! - zu sich nach Hause eingeladen hat. Das ein Schleier auch von Vorteil sein kann, verdeutlichte seine Frau beim Mittagessen, irgendwie stört das Ding bei der Nahrungszufuhr dann ja doch, aber schön ist "Die" nicht. Für 8 Stunden seiner Tätigkeit als Reiseleiter und Taxifahrer-Reiseleiter war er zum ersten Mal, sein Vokabular auf Englisch betrug 10 Worte - wollte er nichts, auch das komplette Essen und Trinken wären ein Gastgeschenk. Natürlich wurde er entsprechend entlohnt und reich beschenkt, 05 und Weber sei Dank. Zu eurer Info, am Vortag haben wir ihn 3 Stunden benötigt um zur Wechselstube und ins Internetcafe zu kommen - eine Geschichte für sich - sowie Einkäufe auf dem Basar zu tätigen. Dafür wollte er incl. Parkgebühren und Dauerbegleitung nebst Preisfeilschen nicht mal 8 Euro-unglaublich. Da sowohl Handy, als auch Internet funktionieren und bisher Alle, einschließlich der in wüstenfarbenen Kampfanzügen kontrollierenden Militärs und Polizisten überaus freundlich sind, sind wir sehr positiv überrascht und freuen uns auf die folgenden drei Wochen im Iran. Eines ist jedoch jetzt schon klar, das wird eine sehr, sehr trockene Baustelle und das geplante Programm werden wir ob der Menge der zu bestaunenden Kultur nicht schaffen, auch wenn die Straßen gut bis sehr gut sind. Zur Not können auch mal 500km. am Tag gefahren werden. Die sich zufällig ergebenden Bekanntschaften mit Iranern sollen aber keinesfalls zu kurz kommen und auch die Grillabende für dieses Jahr sind leider gezählt, da wir hier nur noch 1.5 Stunden vor Mainzer Zeit sind und es um 18 Uhr stockdunkel ist.  Mit über 30 Grad Mitte Oktober kann aber wohl nicht mal die Hauptstadt des rheinhessischen Federweißen aufwarten - oder?

* * *

 

Der Pfauenkaiser ist tot! Hoch lebe der Sultan: Kaiser-König Kitsch I. ! ! !

Keine drei Tage nach Abschluss des letzten Berichtes mit der flapsigen Schlussbemerkung bin ich erstmals froh, das wir in Türkmenistan keinen freien Internetzugang haben.

Wie ihr alle gemerkt habt, bin ich bemüht unsere Erlebnisse möglichst ironisch - sarkastisch zu schildern, alles beruht aber auf einem wahren Kern oder war leider bitterer Ernst. Insbesondere unsere Grenzerlebnisse kann kein noch so krankes Hirn ersinnen, doch lsst mich der Reihe nach berichten.

Nach dem Grenzübergang lotst uns Otto zielsicher ins Hotel / Internierungslager / Gefängnis Alcatras, ein Name, der Zuversicht weckt. Ein großes Stahltor wird geöffnet und wir fahren in den Gefängnishof.

Der wurde in klaren rechteckigen Formen von einem japanischem Gartenarchitekten entworfen, die versetzten Innenraumrechtecke von ca.400 Quadratmetern kunstvoll geteert, soweit der Asphalt reichte, die Restflächen als Homage ans Vaterland mit verdichtetem Mutterboden gestaltet.

Die klaren Linien werden von einer Grasfläche von unter zwei Quadratmetern im Zulauf des zentralen Hofablaufes gekonnt unterbrochen, Oskar beschließt gleich mal draufzukacken. Imposant auch das Spiel mit dem Licht, je nach Tageszeit kann man wechselspielig zwischen Sonne prall und Schatten wenig wählen. Das absolute Highlight ist jedoch eine Schilfmatte, die den Müll der Gefängnisküche kaschieren soll. Die wirft in den Nachmittagsstunden pittoreske Schatten, ein Schauspiel, an dem wir uns zwischen 15 und 19 Uhr gar nicht satt sehen können. Der Geruch steigert unsere Extase noch. Nachdem das große Tor sofort nach unserer Einfahrt verschlossen wird fragen wir den Torwärter der Seitentür, ob diese wegen der Hunde stets geöffnet bliebe.

Die Frage wird bejaht, gleichzeitig wird der Riegel mit einem massiven Vorhängeschloss - natürlich nur zu unserer Sicherheit - verrammelt. Gut, die Hunde werden hier sicher nicht überfahren. Da wir Hotelzimmer mit Übernachtung und Frühstück buchten und schon in Deutschland bezahlen mussten, teilt man uns aber mit, das wir ganztägig Hofgang hätten und uns dort frei bewegen könnten, was wir tun.

Erst jetzt fallen uns die lila-violetten Wandfarben auf, die beruhigend auf die untergebrachten Gäste wirken sollen. Der Kerker/Hausmeister ist ein recht netter Kerl auf Bewährung - Er wußte nicht, das der jetzige Präsident den Jungfrauenhandel auf dem Basar verboten hat, obwohl der doch jahrtausendelange Tradition hat-, der sich sogleich mit Angie anfreundet und mir in den Katakomben seines Wirkungsbereiches eine Steckdose zuweist.

Jetzt können wir es uns bequem machen und fünf Stunden auf unseren Reiseleiter/Bewacher warten, was wir auch tun, da wir kein Geld tauschen konnten. Nach der größten Mittagshitze fragen wir den Schließwart nach Ausgang mit den Hunden, der notiert alles genauestens und öffnet. Man muss wissen, das Türkmenistan der letzte wahre sozialistische Staat der ehemaligen GUS ist und sich erst sehr sehr zaghaft dem devisenbringendem Tourismus öffnet. Der Präsident ist der Chefe, alle dürfen in und für seine Firma arbeiten und sein Buch, eine Art "Mein Kampf" auf neudiktatorisch auswendig lernen. Weitere Bücher sind für überflüssig erklärt worden. Die Regierung und Polizei wollen immer gerne wissen, wer bei Tag oder Nacht was kriminelles macht und beschäftigen viele Menschen mit und ohne Uniform. Jeder ist als Informant(If) willkommen. Wir machen keinen "Schatten" aus und wandeln durch die Plattenbausiedlungen. Ob hier alle freiwillig eingezogen sind weiß ich nicht, die Leute versuchen auf unbebauten Parzellen mit Bauerwartungsland Gemüseanbau und halten Schafe in Garagen.Wir zehren von unseren Vorräten und warten auf unseren Guide. Special Agent Helena trifft mit einer Stunde Verspätung ein, eine Hauptrolle im Frauenknast bei RTL wäre ihr in Deutschland sicher gewesen. Sie hat auch die freudige Kunde, das wir eine Nacht umsonst im Staatshotel weilen dürfen, dafür aber einen Tag vor Visumsende in den Iran ausreisen müssen.

Welche teuren Leistungen wir mit Führer und Fahrer bereits bezahlt haben bleibt nebulös,wir sind uns aber gegenseitig nicht  unsympatisch. Es folgt dieVerabredung für einen Basarbesuch mit ihr am Folgetag, vor allem um die Hundefutter-und Biervorräte aufzufrischen, unser persönlicher Ramadam steht ja unmittelbar bevor. Basarbesuch und Menschen sind toll, die Preise billig, nur das Bier kostet einen Euro für die Halbliterdose, die gleiche Menge des guten lokalen Vodkas zehn Cent mehr. Helena scheint mit den Zuständen im Gefängnishof vertraut, rät sie uns als Erstkauf doch ein Mittel gegen Fliegen zu erstehen die das Kloppomobil zu Hunderten bevölkern. Den restlichen Tag verbringen wir im Gefängnishof und führen die Hunde nochmals aus.

Die Anstaltsleitung hat einige Katzen zur Unterhaltung der Hunde organisiert, es besteht Chancengleichheit. Durch ein kleines Loch unterm Tor können die Katzen auf der Ostseite entkommen, im westlichen Quadrat gibt es einen Pfahl auf ein Vordach. Die Wärter setzen kleinere Wettbeträge um die Zeit totzuschlagen. Selbst Oskar gefällt das und man kann ihn rennen sehen, ein seltener Anblick außer während der Fütterungszeiten. Leider gäbe es in der ganzen Stadt kein Internet, zumindest die SMS zum Sieg gegen Hoffenheim erreichen uns.

Bedauerlicherweise ist Samstag und Gefängniswärter und Insassen feiern in einem neuen Vollzugsmodell das Wochenende. Bei der Musi rollen sich die Fußnägel, Osama würde bei der Lautstärke sofort die weiße Fahne aus seiner Gebirgshöhle schwenken und jeder mittelamerikanische Diktator die jeweilige kubanische Fluchtbotschaft im Laufschritt verlassen - wir halten durch. Dank des vermittelten Vodkas schlafen wir sogar irgendwann. Welch perfides Kalkül der Gestapo von Dashogus uns von der Flucht abzuhalten. SA Helena wohnt durch den Modellversuch mit den Internierten in Zimmer 12, wir hätten die 13 belegen können. Um das Vokabular gängiger Reisekataloge zu bemühen , sind die Zellen nach Inspektion im landestypischen (Gefängnis)Stil. Bemerkenswert erscheint die Badewanne Typ "Uwe Barschel 20 L10Cm, was sich auf Füllmenge - und höhe bezieht. Man möchte Selbstmorden und Übergriffen zwischen den Inhaftierten zuvorkommen.

Auch die Mischbatterie unterdrückt sadistisches Gedankengut im Keim, man kann großzügig zwischen lau, lau und lau wählen.

Die Betten zeugen jedoch von anhaltenden Massenvergewaltigungen. Alles in Allem könne man sich jedoch mit den Anstaltsoberen leidlich arrangieren raunzt mir ein Hofgänger zu, nur die Einladungen zu Wüstenrundflügen sind bei allen Häftlingen gefürchtet, es werden nur Fallschirme mit Aufdruck Möllemann an die Mißgünstlinge verteilt, die stets einen Fensterplatz an der offenen Tür erhalten.

 

 

 

 

 

Jagt Angie keine Katzen, besucht sie gerne die Gefängnisküche um Reste abzustauben. Auch wir wollen unser Ü/F abrufen, bezahlt ist bezahlt, und werden nicht enttäuscht, alles wie im Kino: Es gibt trockenes Brot soviel man will, eine Karaffe mit Leitungswasser wird in unregelmäßigen Abständen nachgefüllt.

Durch die beigemengten Pillen schmeckt der Kaffe passabel süßlich, eine Nachfrage nach Milch verärgert jedoch, der Azubi soll schon mal den Fallschirm in Sichtweise positionieren. Die Eier sind mittelhart gekocht um bei Meuterei und Aufruhr nicht gegen Mithäftlinge oder Wärterinnen als Waffe verwendet werden zu können. Diese wiederum tragen morgenmantelähnliche Gewänder in Anstaltsrot, auf Weisung des Knastpsychologen mit Pailletten bestickt um an die traditionellen Foltergewänder zu erinnern. Den wahren Charakter zeigen auch die Kampfschlappen, die über bevorzugt grüne oder gelbe Socken getragen werden. Torture never stops, das Antiagressionsprogramm schreibt Verschönerungen mit Mickey Mouse, Goofy oder gelben Entchen auf dem breiten Querriemen vor.

Da sieht das gequälte Auge doch gerne wieder kalte Spiegeleier und Pommes unter Plastikfolie, die vermögende Insassen gegen erhebliches Aufgeld erstehen können, natürlich nicht ohne den drei grimmigen Schränken an der Gefängnisbar einen kleinen Entschädigungsaufwand gezahlt zu haben.

Da Sonntag ist und wir die heimelige Anstalt verlassen dürfen hat man es sich jedoch nicht nehmen lassen uns ein kleines Stückchen Huhn, gefüllt mit Paprika&Kartoffel sowie mikroskopische Melonenstücke zu kredenzen, auch die Sanittäranlagen konnten wir ohne Zusatzspende benutzen.

Jetzt, wo wir viel Zeit mit unserer Reiseleitung verbringen können, ist es an der Zeit die Mysterien der lokalen Stasi zu ergründen. SA Helena erscheint pünktlich mit Agent Machsatt, der eher aussieht wie Hungerhab, und vergessen hat zu tanken, was zu einem gewissen Mißmut seiner Vorgesetzten führt. Ansonsten ist mir klar, daß er schneller laufen kann als ich, auch der schnittige Sechszylinder-Toyota den ich finanziere ist deutlich beweglicher als das Kloppomobil-Flucht ausgeschlossen, wohin auch?

Die einzige Strasse zieht sich über 450 km. durch die Karakorum-Wüste, spätestens alle 10km stehen Polizisten im Nichts der Einöde. Die haben allerdings erheblichen Respekt vor unserer Reiseleiterin, die uns anweist auf Kontrollen nicht zu reagieren und mit Vollgas weiterzufahren. Obwohl ich seit Russland ein gewisses Unterwürfigkeitsgefühl vor Polizeiknüppeln habe, befolge ich die Anweisung. Keiner schießt, im Rückspiegen kann man sehen wie die grünen Männer Haltung annehmen und Machsatt sich prompt wieder vor mir postiert, damit ich mich nicht verfahre.

SA  H. erklärt, das sie eine Berufsausbildung bei der Armee genossen habe, Sprachen studiert und während der Semesterferien jeweils für drei Monate in der Baumwollernte dem Vaterland gedient habe, fertig ist der Reiseleiter. Waffen kann ich weder bei ihr noch bei Agent M. erkennen, wird wohl im Handschuhfach oder Kofferraum sein. Am Vortag wurde uns verkündet, das wir für den Transfer vom Wüstenparkplatz zum Feuerkrater, eine waghalsige Strecke von nicht mal acht Kilometern, 100 $ zusätzlich zu zahlen hätten.

Ich verweise auf die bereits bezahlten täglichen Kosten für unseren Begleitschutz und weigere mich diesen Horrorpreis zu zahlen, zumal wir auch noch das Schaschlik für SA H. A M. und drei weitere Agenten des Secret Service (SS) übernehmen sollen.

SA H.telefoniert hecktisch, anscheinend mit Otto, der wohl der Leiter der Gestapo Dashogus im Norden des Landes ist und ein strenges Regiment führt. Die Mitarbeiter von SA&SS unterstehen allesamt dem TPD-Türk Police Depardment-, dessen Ehrenvorsitzender der Präsident ist. Die Angelegenheit klärt sich schnell, es wäre ein Fehler vom Super Chief SS-SCHISS-, jetzt ist alles inclusive. Vor Sonnenuntergang erreichen wir das Ziel, wo zu meiner Verwunderung Otto mit zwei Agenten wartet.Otto heißt gar nicht Otto sondern If Mohamed-Mo-07, die weiteren Beamten würden zum Feuer machen benötigt-oder um uns in den Krater zu schmeißen. Mit Agent&Agent, Spion&Spion&Fahrer sowie Machsatt der den Krater noch nie gesehen hätte, fahren wir zum beeindruckenden Schauspiel, wo wir den Gottesfürchtigen kaltes Dosenbier anbieten, die trinken es sofort. SS Mo-07 zaubert noch eine Pulle Vodka aus dem betagten Bus, der die Zufahrt ohne Allrad locker gemeistert hat.

Da drei weitere Touristen mit einem Agenten am Krater zelten, beschließt man den Hammel statt unserer zu grillen, fünf Kraterunfälle erscheinen auch der TPD ein bischen viel unglücklicher Zufall, an einem einzigen Tag. Mit dem folgendem Sonnenaufgang fahren wir mit unseren beiden Agenten in die Hauptstadt Ashgabad, Chile hatte Alarm geschlagen, als sich A M. nachts dem Auto näherte und eine Wanze anbringen wollte.

Dafür muß er nach drei Stunden Wüstenfahrt-Freie Fahrt für unfreie Touristen-den Diensttoyota mit einer Flasche Wasser waschen, Strafe für sein Mißgeschick mit dem Hund. Zumindest eine sinnige Tätigkeit, da wir mit einem Sandstum in die Hauptstadt einfahren. Die hat Albert Speer mit Hitler, Mussolini und Nero geplant, die jeweiligen Präsidenten setzen hier ihre größenwahnsinnigen Pläne im Wüstenboden um, wohl darauf  bedacht sämtliche Denkmäler der Vorgänger eiligst wieder zu demontieren. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben... . A M.verfährt sich wiederholt bei der Hotelsuche und steht dem Vernehmen nach wieder mit einer Kelle in der Wüste. Internet im Hotel Fehlanzeige, SA H. fährt uns persönlich in das Internetcafe der Stadt, wo ich meinen Pass abgeben muß. Trotz Zureden unserer Bodyguard weigert sich die Angestellte mich Herbert einloggen zu lassen und verweist auf die allgegenwärtigen Kameras. Leider wieder nix mit Mails und Fußballinfos, aber auch die hiesige Gestapo erfährt nichts von meinen Geheimberichten.

Am PC des TPD können wir zumindest den Kicker überfliegen und wollen sehen ob auf unserer Homepage neue Bilder sind oder es Einträge ins Gästebuch gibt.

Ob der ungewohnten Tastatur tun wir uns schwer, SA H. ist mit einem Mausklick auf unserer Seite, die sie schon kennt und die ihr gefällt wie ihr rausrutscht. Ups, wir kennen sie doch nicht mal 65 Stunden und sind in der Wüste gewesen, wie geht denn das? Nachdem man uns heute nochmals versucht hat den Wüstenobulus abzuknöpfen will ich mit dem Chefe sprechen und es ist SA H.nur noch peinlich, die Arme kann wirklich nichts dafür, wie sie glaubhaft versichert. Wir sind froh bald in die größte Betty Ford-Klinik der Welt zu kommen. Freue ich mich auf das Land der Winzer und Bierbrauer, wo es fast so schön wie in Mainz sein soll. Iran, wir kommen-wenn wir keinen unverhofften Autounfall haben sollten, oder jemand Herbert klaut. Man weiß ja nie.

In Mary besichtigen wir noch jede Menge alte Lehmziegel. Eine Diskussion warum wir nochmals 70$ zahlen müssen wollen wir der geplagten Helena ersparen, weil sie sich extrem um unser Wohlergehen müht und mir immer Gegengifte besorgt, wenn mir die Stasi Abführmittel ins Essen gemischt hat um meinen Aktionsradius einzudämmen.

Wir laden sie und den neuen Fahrer Bachtiar zum Abendessen ein. Das ist die Reise nach Türk wert, zahlen wir doch für sechs große Bier vom Fass, es heißt Zipp und macht schnell Zapp, vier Schachlikspieße mit Lamm, Rind, Huhn und Leber, Salat, gebratene Tomaten, Tomaten-Knoblauchsoße, Brot und zwei Vodka umgerechnet 12$ für zwei Personen. Ein lohnendes Reiseziel auch für Kegelclubs und Skatkassen, die auf den Kopf gehauen werden wollen.

Über Holperpiste geht es der iranischen Grenze entgegen, wobei es neben den tiefen Längsrillen, die sich bei Temperaturen von über 50 Grad im Schatten,der nirgens vorhanden ist, auch noch Querrillen gibt. Diese schaukeln das Auto übelst hoch und machen es fast nicht mehr lenkbar. Nach unserer Rückkehr sind wohl neue Stoßdämpfer ein Muss. Bedingt durch das Geschockel auf allen Strassen, kommt es in Türk zu erstaunlichen 68% Frühgeburten in Autos, Bussen oder auf  Eselskarren-Weltrekord. Ob dies ein Grund dafür ist, das Teile der Bevölkerung in einer evolutionären Sackgasse sind, weiß ich allerdings nicht. Kurz vor der Grenze klingelt das Handy, Machsatt möchte sich für die Wanze entschuldigen. Befehl wäre halt Befehl, er hätte nichts gegen uns persönlich. Nachdem er jetzt fünf Tage Agentenautos waschen mußte, hat If Mo-07 seine Personalakte nochmals studiert und festgestellt, daß er beim beliebten Jahrgangswettbewerb : "Malen nach Zahlen" unter den ersten zehn gelandet ist.

 

Das Talent wolle man fördern und ihn deshalb der neuen Spezialtruppe der Wüstenmarine zufügen, die sich aus Unfreiwilligen oder desertierten Erntehelfern rekrutiert. Er solle Fallschirmjäger werden, alles vom Feinsten, die Fallschirme sogar aus Deutschland. Oh,Oh-nicht gut. Bevor ich ihm eine dreijährige Lehre im zukunftsorientiertem Beruf des Melonenpflückers schmackhaft machen kann, knackt es in der Leitung und die Verbindung ist weg. Für seinen weiteren Berufs-und Lebensweg wünsche ich ihm alles Gute.

LIEBE HELENA-belassen wir es bei deinem Undercovernamen-wir möchten uns nochmals recht herzlich für deine bemutternde Reiseleitung bedanken. Dieser Artikel erscheint in meinem Buch "Tales of mistery and immagination" unter dem Namen Edgar Allen Duesberg nächstes Jahr weltweit. Ich könnte mich noch tagelang über unsere Erlebnisse ereifern, gut das ich nicht alles so mitbekommen habe was du Sabine erzählt hast. Da ich annehme, das mein Passbild in Bälde an jeder thürkmenischen Grenze hängt und ich zur "Persona non grata" aufsteige, werden wir vorsichtshalber erst nach dem nächsten Präsidentenwechsel wieder kommen, ich bin einfach zu alt fürs Fallschirmspringen.

* * *

 

Usbekistan - Big Brother is watching you, Little People are loving you. ( Frei nach Orson Wells )

Nachdem wir für 15 Cent pro Person das Tashkenter U-Bahnnetz mit seinen futuristisch-sozialistischen Haltestellen im Dreieckskurs erkundet haben, gehen wir wieder auf Westkurs entlang der Seidenstrasse. Die Strecke ist trotz der 5000er Berge von Tajikistan nicht sonderlich spektakulär. Alle Flächen sind landwirtschaftlich genutzt und bewässert, eine Abfahrt fast unmöglich.

Da wir im Hotel Usbekistan in Tashkent eine Registratia erhielten, die einen Tag länger als unser Aufenthalt war suchen wir dennoch, um Geld für das nächste Hotel zu sparen. Wir müssen unsere Reiseroute wohl nicht lückenlos dokumentieren wollen aber an der nächsten Grenze möglichst keinen Anlass für Utopiezahlungen bieten. Die grünen Männlein stehen entlang der Strasse mit Kontrollpunkten im Abstand von 1-2 Kilometern, halten uns aber nur zweimalig an und sind sehr freundlich.

An einem Bewässerundskanal bietet sich die Möglichkeit die relativ gute Hauptstrasse zu verlassen und in die Felder einzufahren. In einer Senke finden wir einen trockenen Stellplatz mit Gras und Wasser, gut für die Hunde und uns.

Endlich wieder grillen und draußen sitzten bis es dunkel wird, was jetzt auch schon kurz nach 19 Uhr Ortszeit der Fall ist. Während Mainz in Bremen spielt und der Grill auf Touren kommt, läßt der erste Besuch nicht lange auf sich warten. Zwei Frauen, verschleiert bis auf die Augen, wollen unsere Wiese queren, die Hunde  gehen zum Scheinangriff über. Wir entschuldigen uns, Sabine beginnt den üblichen Small-Talk, verteilt Karten und kleine Geschenke. Der Gesichtsschleier fällt wie die Vorurteile und während die Hühnerbeine schwarz werden beginnt ein lebhaftes Gespräch. Unser Besuch verabschiedet sich noch bevor wir erstmalig TABELLENFÜHRER der Fußballbundesliga sind, um eine Art Schilf zum Feuer machen zu schneiden und uns im Anschluß mit Melonen zu beschenken.

Wir geben im Gegenzug Weber-Shirts und eine 2:0 Führung mit auf den Heimweg, dann ist es passiert. Barbara simst uns aus Bremen das, was wir nie erhofft hätten. Humba in der Hansestadt, Steffi-Fleisch und Blut-aus Mainz bestätigt Rosenmontagsstimmung in der Heimat, Heitili im Dopa ! Das ich das noch mal erleben durfte, Scheiße wären wir gerne in Bremen gewesen.

Wir stimmen bekanntes Liedgut an, leeren die Bievorräte um als heute uneinholbarer SPITZENREITER einer stillen Nacht engegenzusehen. Wie geil ist das denn, zumindest bis viertel vor Acht? Unsere neuen Freundinnen blöken durchdringend `Saaabiiine` und wollen uns zum Tee einladen. Ob die Sky haben? Wir eilen uns so gut es geht, die Damen gehen einen staubigen Weg, ich folge im Schritttempo mit dem Kloppomobil. Dachten wir die Familie wohnt im Dorf, werden wir eines Anderen belehrt. Von Mai bis September haust die Sippe unter 10 Stämmen die mit Plastikfolie und Schilf abgedeckt sind auf einem großen Bettgestell in der Pampa. Die Rückseite des Unterstands stellt ein Erdwall mit abgegrabenen Kochstellen dar, die drei Vorderseiten sind völlig offen, es gibt nicht einmal einen Vorhang. Wasser, Strom, Heizung-Nada. Die Baumwollernte ist auf Hochtouren, aber unsere Gastgber haben leider keine Felder der Größenordnung, die es rentabel machen würde. Einige Kühe, Schafe, Mais, Gurken, Tomaten und natürlich Melonen in Sorten, das muß für den Familienunterhalt reichen.

Wie man damit einen alten Kamaz-LKW und einen oberklapprigen PKW finanzieren kann, muß ich nicht verstehen.

Wir werden mit Tee,-Shei-warmer Kuhmilch mit Zucker und Butter aus der Eigenherstellung im Butterfaß, sowie Brot aus dem Lehmofen bewirtet, alles liegt in der Mitte des Familienbettes. Nach fast 5 Monaten ohne Dusche ist der dominante Geruch ein Odeurs von Hammelfleisch mit Eigenmuff und Brackwasser, es könnte aber schlimmer sein da die Fäkalienentsorgung weit gestreut im Melonenfeld erfolgt um der Natur die entrissenen Rohstoffe zurückzuzahlen.

Aus selbiger erhalten wir weitere Geschenke, aktuell lagern 6 Melonen von teilweise biblischen Außmaßen in der Dusche. Während Sabine Fotos aus der Heimat zum Besten gibt, lerne ich, das es besser ist die warme und gezuckerte Milch mit der hausgemachten Butter auszutrinken solange sie warm ist und mahne die Abfahrt nach Samarkant an. Sabine verabschiedet sich unter wiederholtem Gedrücke von den neuen Schwestern, die ob ihres Erlebnisses und unserer Geschenke sichtlich gerührt sind-Nein Touristen aus dem Ausland hätten sie noch nie gesehen.

Für mich bleibt einmal mehr die Erkentniss, das die Menschen an sich gut und je ärmer immer lieber sind. Wir haben ihre Gastfreundschaft liebend gerne erwiedert, wurden wir doch vor einem Land der Benzinabzapfer, Strauchdiebe und Betrüger gewarnt.

Die gibt es sicher auch, möglicherweise will irgendwer uns das aber diesmal ersparen und an das Gute im Menschen glauben lassen. In Samarkant besichtigen wir das Weltkulturerbe Registan, 3 Moscheen wurden um einen zentralen Platz errichtet und funkeln um die Wette. Unser Hotelstellplatz ist im Zentrum, nicht mal 10 Gehminuten entfernt, somit können auch die Hunde Altstadtgassen, Moscheen und Mausoleen beschnuppern, alle Sehenswürdigkeiten können wir erlaufen. Leider machen uns Mißgünstlinge aus der Heimat das Leben zur Hölle, wir haben 15 Punkte aus 5 Spielen und das ohne uns.Die Liebe meines Lebens scheint Mainz in eine Art sportlich-emotionalen Dauerorgasmus versetzt zu haben, wenn man den Mails Glauben schenken darf.Genüßlich lesen wir Abends die Unmengen von Berichten, die uns erreicht haben. Mittags nach der Besichtigung des Mausoleums Shohizinda spreche ich zwei Frauen an um ein Foto der Jüngeren machen zu können.

Normalerweise mag ich keine gestellten Bilder und versuche meine Motive möglichst natürlich zu fotografieren, so wie die Menschen sich unbeobachtet geben, aber eine derart festlich bunte Kleidung mit kleiner Krone will ich mir nicht entgehen lassen.

Die Damen willigen direkt ein, die Ältere spricht leidliches Englisch und lädt uns nach kurzem Smalltalk zu sich nach Hause ein. Etwas sehr spontan und ungewöhnlich, aber wenn sich die Möglichkeit bietet-warum nicht? Im Altstadthaus mit kühlem Innenhof angekommen werden wir in die gute Stube gebeten und reichlich bewirtet. Zur rotgekleideten gesellt sich eine weitere orientalische Schönheit im gelben Gewand, beide die vor kurzem angeheirateten Schwiegertöchter.Nach usbekischer Sitte werden bis zum 40. Tag nach der Hochzeit diese prunkvollen Gewänder getragen, die Schwiegertöchter gehen der Mutter im Haushalt zur Hand. Wie die es angestellt hat ihre verschnarchten arbeitslosen Söhne mit den Grazien zu verkuppeln weiß ich nicht, es war aber ein teurer Spass .Die Eltern der Söhne müssen die Hochzeit ausrichten, es waren über 700 geladene Gäste da-so macht eine Doppelhochzeit Sinn, zumal die Usbeken unter ausgeprägtem Hunger und Durst leiden.

Wir lassen zwei Fotoalben mit Hochzeitsbildern über uns ergehen, der Fotograf und der Vermieter der Stretchlimos haben wohl auch noch mal gut verdient. Währenddessen hat sich der Tisch zum Bersten gefüllt.

Neben dem üblichen Shei mit allerlei Gebäck und orientalischen Nüsschen, Süßigkeiten und Obst tafeln die rot-gelben diverse Salate, Säfte, Limo, Fladenbrot und Plov, ein Reisgericht, auf. Vor und nach dem Essen geben die Beiden eine rituelle Tanzdarbietung zum Besten, wir machen Erinnerungsbilder und verlassen die gastfreundliche Familie nach über 2 Stunden, schwer beeindruckt. Nicht mal in Mainz ist es üblich Touristen, die einen ablichten wollen mit nach Hause zu nehmen, zu bewirten und abzufüllen, obwohl wir letzteres mit Hinweis auf die wartenden Hunde abbiegen konnten.

Die Bar war gut gefüllt, der Rotwein mit dem Kopfwehetikett stand schon auf dem Tisch. Fleißig wie die 05er Punkte sammeln, listen wir Städte und Kultur entlang der Seidenstrasse.Im Prinzip queren wir das Land fast komplett von Ost nach West.

Tashkent, Samarkant, Sharisabs über den landschaftlich schönen Tahakarsaa-Pass, Quarsi, Bukhara und die über 300.000 Quadratkilometer große Kizilikum-Wüste zieht sich das teilweise miserabelste Teerband nach Chiwa und Urganch, um uns hoffentlich in Dashogus nach Turkmenistan einzureisen zu lassen. Da die kerzengrade Wüstendurchfahrt außer Sandverwehungen und Monotonie nichts bietet, fahren wir unseren persönlichen Deserthighway abseits der Strasse. Auch dieses Offroadunterfangen ist nur von mäßigem Erfolg gekrönt, da ich die Tunnelbautechnik der Wüstenerdhörnchen unterschätze und wir mit über 700 l. Trinkwasser im Heck mal wieder versinken. Angie führt das Strafkommando, während wir-mittlerweile routiniert-den Wagen in 15 Minuten wieder frei bekommen. Den restlichen Samstagabend legen wir uns, ohne jeglichen Empfang, Ergebnisse der Bayernpartie zurecht, die wir auch am Sonntag noch nicht wissen.

Das Leben kann grausam sein, die Vollmondnacht in der Wüste fern jeglichem anderen Lebens am Lagerfeuer mit eiskaltem Sarbastbier entschädigt da leider nur teilweise. Wenn in einer Brust zwei Herzen schlagen... .Unsere weiteren Begegnungen mit den Menschen entlang der Route bestätigen, daß Tageslöhne von einem Euro am Tag für einen Baumwollpflücker Usus sind, das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Person liegt bei knapp 900 Euro. Für einen Euro kann man ein Fladenbrot, eine Melone und 2,5 l. Wasser kaufen, das Minimum um die Arbeit auf einem Baumwollfeld durchzustehen, das genauso wenig Schatten wie ein Melonenfeld bietet. Wir bewirten die Tagelöhner fürstlich und sind bedrückt über die Tatsache, das alleine unsere Hunde mit  mindestens einem Kilo Huhn-, oder Rindfleisch am Tag zu Buche schlagen.

Kosten hierfür höher als in Deutschland, Tagessatz nicht unter 5 Euro. Gedanken über Armut von Mensch und Leid von Hund in diesen mittelasiatischen Regionen können wir leider nicht ausblenden-vieles tut sehr weh. Im grünen Chiwa angekommen finden wir einen Hotelstellplatz direkt an der alten Stadtmauer, Registratia und Üdernachtungskosten halten sich im üblichen Rahmen von 10$ bis 20 Euro pro Tag. Nachmittags haben wir wieder D1 Empfang-Sieg in München, Freudensprünge das ist völlig unglaublich.

Herbert wird sofort Gassi geführt, wir klappern alle Wi-Fi-Internetcafes ab und kriegen keine Verbindung zustande, der Netzaufbau dauert viel zu lange und kommt somit nicht zustande. FRUST !!! Wir hatten uns so auf die Gievers/Roeschberichte gefreut. Der Computer im "Businesscenter" des Hotels hatte als Requisite auf der Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise auch schon bessere Tage erlebt, baut aber nach 10 Minuten zumindest die Artikel des Kickers auf.

Ein Tourist aus einer Kleinstadt mit Kartoffelanbau im Mainzer Hinterland gesellt sich zu uns und sieht seinen FCK schon wieder gegen den Abstieg spielen, unsere Anteilnahme ist ihm gewiss.

Die verbleibenden Tage bis zum Grezübertritt nach Turkmenistan verbringen wir mit der Beichtigung von Chiwa, einer bewohnten Denkmalstadt aus dem Mittelalter wie es scheint. Das Leben in den staubigen Altstadtgassen mit den Lehm/Strohhäusern und unzähligen muslimischen Sehenswürdigkeiten ist wirklich noch wie vor über 100 Jahren, nur die Souvenierhändler haben ihre sehr schöne Produktpalette angepasst. Aber auch die staunen über 2 Touristi nemetzki mit 4 Hunden, alle als 05er erkennbar, nicht schlecht und müssen sich unserer Missionierungsbemühungen in Sachen Fußball erwehren. Bayern wer? Hallo Freunde, wir haben momentan 10 Punkte mehr! Ich grüße die Stadt mit der noch viel schöneren Altstadt, dem momentan besten Fußballclub Deutschlands und den dankbarsten Fans der Liga.

Assalomu alaykum euch allen !!

 

* * *

 

Murphy ist ein Kassache/in!!!

Während Sabine morgens noch gut gelaunt vom problemlosesten Grenzübergang bis Armenien schwadroniert, weint sie mittags bittere Krokodilstränen. So schnell die Kirgisen für Souvenieri die Bürokratie außen vor ließen, so zäh hängen die Kasachen an ihren Paragraphen! Es dauerte für uns auch einige Zeit das Problem überhaupt zu verstehen, was wir bis jetzt nicht komplett tun. Wir haben eine doppelte Einreisegenehmigung für Kasachstan, sind erstmalig von Russland gekommen um Kirgistan zu besuchen und stehen jetzt vor der zweiten Einreise.

Alles mit reichlich Stempeln lückenlos auf den Tag dokumentiert. Das wäre wohl auch alles richtig und wir können einreisen, dürfen aber nicht mehr raus - zurück nach Kirgistan geht eh nicht mehr. Ach ja, aber warum? Ein eifriger Beamter hat uns beim ersten Verlassen von Kasachstan zwei unscheinbare, kaum zu erkennende Ausreisestempel in mattgrün übereinander aufs Visum gedrückt, für den Laien schwer bis gar nicht erkennbar. Beide datieren vom 25.August.

Wir wenden ein, das es ja wohl nicht unser Verschulden sein kann wenn das passiert, bei der Unmenge von Stempeln und Stellen, noch dazu mit Tagespassbild und nachvollziehbarer Reiseroute.

Nein, da hätten wir völlig recht, auch glaubt man uns den zweiten Ausreisestempel nicht gefälscht zu haben nur um neue Zöllner und Amtszimmer kennen zu lernen. Wir könnten nichs dazu, aber es wäre ein kleines Problem, man müsse telefonieren. Kann eigentlich nicht so lange dauern, nach einer halben Stunde fragen wir nach. Ein Glück, man hat einen Schuldigen ausgemacht, das Problem läge bei den Usbeken. Da wären wir zwar noch nicht gewesen, aber mit den doppelten Stempeln würden die uns nicht reinlassen-kein Problem man telefoniere weiter. In den folgenden 2 Stunden hält man uns mit Ausfüllen von diversen Formularen, den unsäglichen Dokumenten für die Hunde und diversen Befragungen auf Trab, wobei jeder der sich berufen fühlt die immer gleichen Fragen stellt. Leider sind die Zollbeamten und Veterinäre nicht gleich als selbige erkennbar, da sie Zivil tragen.

Zudem sehen einige aus, als ob sie auch versiert wären um Geständnis aus Talibankämpfern zu foltern und in Deutschland nicht mal einen Job als Türsteher bekämen. Unsere Hunde haben einen munteren Dialog mit den Drogenhunden der Kasachen begonnen und randalieren im Fahrerhaus, gut hörbar für alle, da die Dachluke aufsteht.

Nachdem fast 3 Stunden vergangen sind erklärt man uns, das wir zurück nach Almaty - siehe Murphys Law - müssen um uns dort die notwendigen Dokumente zu holen. Welche das wären und wo, kann uns leider niemand sagen, ob wir einen PC hätten-da könnten wir es ja rausfinden. Almaty bedeutet mindestens 2 komplette Fahrtage hin, eine deutsche Botschaft gibt es nicht, evtl. ein Konsulat, Express 2 oder 3 oder 4 Tage, dann zurück, noch ein Tag zur Grenze nach Usbekistan, wo wir auch noch unsere Visa für Turkmenistan besorgen müssen. Da auch unser kasachisches Visum am 19.9. endet und wir am 1.10 an der Grenze zu Turkmenistan sein müssen kommt starkes Unbehagen in mir auf, Sabines Reaktion s. o. . Ich frage nach einem Transitvisum, auch das könne man nicht ausstellen, vielleicht ein Schrieb bei der offensichtlichen Sachlage - Fehlanzeige.

Bis wir die Hundepapiere haben - die Eintragung für die Vierbeiner hat einer mal wieder vergessen, der Kopierer ist mit Steffi verwandt und zickt - kommt uns die hoffentlich rettende Idee, ich rufe Kostja in Mainz an, der sofort erreichbar ist und mich nach kurzer Überlegung zurückruft.

Er erklärt mir, das dieses Verhalten eine Mentalitätsfrage wäre, nur keine Entscheidung treffen um keinen Fehler zu machen. Da mittlerweile alle Grenzer - incl. der Geständnisserpressungsstelle - involviert sind, drücke ich dem nächststehenden das Handy in die Hand. Wenn Kostja was kann, dann reden. Der arme Mann zieht sichtlich das Genick ein, erklärt sich und uns für unschuldig und trägt den Hörknochen zur Sachbearbeiterin, Olga Murphy.

Unter dem regen Interesse aller Anwesenden - auch die übrigen Grenzgänger sind interessiert und wuchten die Autoreifen vom Röntgenband - redet Kostja auf die Arme ein, bis die Verbindung abreißt. Diese quäkt sogleich in ihr Walkytalky um mit dem Grenzleiter zu sprechen, sinnig wo er in 4 Meter Entfernung steht. Vor dem Gebäude stelle ich die Verbindung wieder her, Mainz gibt sich optimistisch. In der Tat läuten jetzt die Handys Sturm, es wird eifrig konferiert.

Ob die eingeschlagene Taktik und Tonart zum Erfolg führt weiß ich nicht, wie üblich waren alle freundlich und hilfsbereit zu uns, aber zu keiner Entscheidung fähig. Wie besprochen ruft der Wortgewaltige nach einer guten Viertelstunde zurück, genau im richtigen Moment, der "Filialleiter" steht in Greifweite neben mir und muss sich direkt mit Kostja auseinandersetzen, was er tapfer durchsteht. Nach einigem weiterem Hin und Her scheint eine Lösung gefunden - Man wolle den nächsten Grenzübergang benachrichtigen, daß wir kommen, wir erhalten einen Namen mit Telefonnummer, alles kein Problem mehr. Ich umarme den Oberzöllner, der keine 30 ist, und drücke ihm einen Kuß auf den Backen, was auch bei allen anderen Uniformierten große Heiterkeit auslöst. Die Liveschaltung nach MZ wird beendet, alle haben sich lieb. Die Hunde rotieren im Auto wie Hamster im Rad, können aber munter die kasachische Grenze bekacken und bepissen, mach dem wir noch ein paar Souvenieri verteilt haben. Mein neuer Freund erhält sogar ein Trikot, macht Faxen und lässt sich fotografieren.

Das ruft den Drogenhundestaffelführer - Marke Kojak - mit Kampfklamotten auf den Plan, der es sich nicht nehmen lässt seine Schäferhund/Spanielstaffel stolz vorzuführen. Die dürfen wir zwar nicht ablichten - weil "Drugdogs" - Hä?-, aber egal. Bekannt wie die bunten Hunde verlassen wir winkend  den Übergang um bei einbrechender Dämmerung nach Taraz zu gelangen. Die Stadt ist riesig, der Verkehr chaotisch, die Beschilderung nicht vorhanden. Steffi hat ihre Tage und ist nicht ansprechbar, wir fahren mitten rein, rasieren ein paar niedrige Bäume und finden kurz vor Einbruch der Nacht einen Stellplatz auf einer illegalen Sondermülldeponie zwischen Industrieschloten, Abraumhalden und einer Starkstromleitung. Das die lokale Metzgerinnung hier großzügig Unverwertbares entsorgt, finden auch nur die Hunde toll. Was soll‘s, so giftig kann‘s nicht ein, leben doch zwischen Asbestresten, Behältern und Fässern mit undefinierbarem Inhalt sowie verqualmten Restmüll noch Moskitos in der ansonsten furztrockenen Öde. Leider hatten wir 25 Stunden keine Zeit was zu essen, müssen erst mal ein Bier auf den Tag trinken, die Hunde kriegen ausnahmsweise Dose, bis wir gierig unser Abendbrot verschlingen. Spätestens die abschließenden Weintrauben veranlassen mich die Müllkippe um eine weitere Variante zu bereichern, wir verlassen den wenig gastlichen Ort frühzeitig, aber ohne nächtlichen Einparkschaden.

 

Nach Besichtigung des Mausoleums von Aisha Bibi, relaxen wir jetzt an einem Bach. Der Ausreisetag muss am 11. 9. sein, da unsere Visa für Usbekistan erst dann gültig sind, unklar war am Vortag eh wann wir über die Grenze sollen. Einigten wir uns erst auf 3 Tage Kasachstan, hieß es dann es wären nur 3 Stunden bis zur Grenze und wir sollen bereits heute am 7. rüber - machbar mit Ortskenntnis und Polizeieskorte. Wir vertrauen jetzt auf Kostjas Redegewandtheit, unser gültiges Visa für Usbekistan, die Telefonnummer und vor allem Reisegruppe 2, die zufälligerweise am selben Tag über die Grenze muss, aber mit Dolmetschern und lokalen Guides unterwegs ist. Wir wollen uns am Vorabend in "The middle of nowhere" treffen, um die Grenze dann mit Unterstützung zu meistern.

Eins weiß ich aber: Um von Wiesbaden in die Stadt mit der schönsten Müllkippe der Welt zu kommen sind die Klimmzüsch nit nödig. Helau! Anmerkung des Redakteurs: Die Geschichte hat sich genauso zugetragen und ist noch nicht durch. Wenns klappt: OK, wenn nicht, ist es ein sehr sehr weiter Weg nach Hause-Registratia neu inbegriffen! Fortzsetzung folgt.

* * *

Hitlär kaputt, Kiffistan sähr gut, no probläm - go, go go

Der international erfahrene Zöllner an der Grenze nach Kiffistan ist richtig gut drauf, was sehr verwundert. Nichtsahnend sind wir um kurz nach 9 Uhr an der Grenze, die just um diese Zeit öffnet. Unter lautem Gehupe und Geschimpfe erobere ich einen guten Startplatz in der LKW-Spur, Busse und PKW links neben mir, dazwischen tausende Menschen die versuchen die Reihe Zöllner am Schlagbaum zu überwinden. Die Szenerie erinnert an den Abzug der Amerikaner aus Saigon, den man aus dem Fernsehen kennt. Sabine versucht irgendwelche Informationen zu erhalten wer sich wo anzustellen hat, -völlige Fehlanzeige- während ich mit den Hunden das Auto verteidige. Man/n scheint zu denken mit gewaltsamem öffnen der Beifahrertür ginge es schneller, ich bin jedoch für 2,5 Stunden völlig eingekeilt bis sich die Schranke plötzlich öffnet und wir auf einen Zwischenparkplatz gelotst werden. Mit Hilfe unseres redegewandten Freundes dem wir einige unserer Karten geben sind alle Zöllner zuvorkommend, hilfsbereit und nett. Wir erhalten Unmengen von Stempeln und durchlaufen zig Amtsstuben in denen der Schimmel wiehert, finden uns aber nach 4 Stunden in Kiffistan wieder.

 

Hier gibt es einen Vorgeschmack auf Korruption: Die genaueste Durchsuchung des Kloppomobils wird für 4 Weber-T-shirts (diese waren im Moment zuvor noch Handelsware und steuerpflichtig) eingestellt, wir werden zum Veterinär geschickt. Den wecken wir beim Mittagsschlaf in seinem Hinterzimmer, er ist leicht auszumachen, trägt er doch ein ehemals weißes Poloshirt. Ich nehme an, das selbiges jeder der 3 anwesenden Herren mal bekommt um Doktor zu spielen - mit den Pässen sind sie völlig überfordert. Die Ausbildung war wohl ein Fernkurs in der Baumschule, Hund von Katz können sie kaum unterscheiden. Mit unendlicher Langsamkeit wird ein Stempel auf irgendein Formular gedrückt und der gute Mann drängt dann zum Auto. Natürlich will er nur, unbemerkt der Anderen, seinen Bonus einsacken - wir einigen uns auf 5$ ohne Quittung. Versicherung gibt es nicht, da ja bis vor kurzem Bürgerkrieg war, Geld kann man wechseln, um nach 150 Metern in die erste Polizeikontrolle zu geraten, natürlich in Sichtweite der Grenze. Der gute Mann kriegt sich gar nicht mehr ein, als er das Bild von Sabine mit Schleier auf dem Visa für Iran sieht, wünscht uns gute Fahrt und meint die spinnen die Mullahs. Seit dem Krieg steht das frühere Kirgistan unter der Schirmherrschaft von Frau Dr. Mari Huana, der neue Präsident ist Ali Ben Ha Schisch. Gemäß seiner Devise "Am Morgen ein Joint und der Feind wird ein Freund", läuft das tägliche Leben in ruhigen Bahnen, alle wirken sehr entspannt und sitzen gerne rauchend und trinkend in kleinen Gruppen im Schatten. Auch die Tätigkeit des Verkehrsbeobachters entlang der Hauptstrassen wird von Jung und Alt mit Hingabe betrieben, möglicherweise finanziert von EU-Steuergeldern um dem Drogenanbau Einhalt zu gebieten.

Die Märkte sind sehr exotisch und quellen über von Obst und Gemüse - das Kilo zu Cent Beträgen. Fleisch ist zäh und billig, das Fladenbrot frisch und lecker, Bier und Vodka an das Preisniveau von Kannabistan angelehnt. Die Landschaft ist superschön, die Fahrt zum Issykulsee ein Traum. Glasklares warmes Wasser auf 1700 Meter Höhe, eingerahmt von schneebedeckten 4000ern. Schöner als der Baikalsee, die Sonnenuntergänge ein Farbrausch. Muss das Paradies so weit weg sein und so schlechte Strassen haben? Neue "Freundschaften" mit der Bevölkerung sind schnell geschlossen, die Sprachbarrieren lassen sich mit Alkohol und gängiger Musik leicht überbrücken, wenngleich die Unterhaltung sich auf niedrigem Level bewegt. Wir werden wiederholt zum Essen eingeladen, revanchieren uns mit einem Bier, um im Gegenzug die Vodkaspirale auszulösen.

Die Abende enden in gelöster Stimmung bei Lagerfeuer unterm Sternenhimmel, aber für ein frisch geschossenes Wildschaf auf Buchenholz muss man schon mal über seinen Schatten springen und sich landestypisch geben. Wir sind ja zu Gast!

Eine ganze Woche verbringen wir am Issykulsee und seiner einmaligen Umgebung, als das Unglaubliche eintritt: Wir finden ein Internetcafe in dem wir problemlos unsere Mails abrufen und senden können. So müssen sich Soldaten fühlen, wenn sie Post aus der Heimat bekommen.

Es ist nach fast 5 Wochen ein bisschen wie Weihnachten, wenngleich einige wohl dachten wir wären bis Dezember eh verschollen und nicht mehr zu erreichen. Schade eigentlich, aber ich weiß selbst bestens was Stress in der Heimat bedeutet und wie es ist keine Zeit füreinander zu haben.

Ein Grund unserer Reise! Da der Süden durch die Kriegswirren und seine weitgehend zerstörte Infrastruktur - und somit auch Tajikistan - Tabu für uns sind, haben wir genügend Zeit die umliegende Bergwelt zu erkunden. Ohne große Mühe finden wir täglich neue Stellplätze, die ein Superlativ nach dem anderen sind. Um den Issykulsee stehen jedoch auch viele touristische Bauruinen, hier haben wohl einige Investoren Gelder wie in Dubai in den Sand gesetzt. Fast möchte man sagen: Gut so, da das Nordufer auf Teilstücken mit Wasserparks, Hotel- und Freizeitanlagen und Promenaden mit Discos fast an Spanien erinnert. Zum Glück ist das 5 km. nach Ortsende und am kompletten Südufer nicht der Fall, wir stehen wieder ganz alleine auf weiter Flur. Am 3300m. hohen Ötmök-Paß kaufen wir 2 Schafsfelle für zusammen 7 Euro, den gleichen Tarif möchte man von uns für die Besichtigung des Mausoleums des sagenhaften Manas - pro Person. (Manas - nicht Manna - ist der Nationalheld und Epos der Kirgisen). Da die Preistafel bei weniger als 10 Cent beginnt und bei der Hälfte unseres Entgeldes endet lehnen wir dankend ab.

Mit dem gespartem Eintritt wollen wir einen Talismann für die weitere Reise kaufen und werden in einer der angrenzenden Jurten fündig. Nach kurzem Smalltalk folgt die Einladung zu vergorener Stutenmilch, Fladenbrot und Knoblauchtomaten, das ich das noch mal erleben durfte! Da ich die meisten Kiffistaner um einen Kopf überrage und auch sonst in der Statur übertreffe sind die Damen sehr beeindruckt von mir. Dies steigert sich noch, als Sabine meine Schuhgröße 46 verrät, da scheint Frau was zu assoziieren, man nennt mich spontan GERCULES, ein H kann in diesem Teil der Welt keiner aussprechen.Die Jurtenbesitzerin ist über die Tarifpolitik erbost, wir müssten unbedingt auf dem Manasberg die Inspiration erfahren und das eimalige Museum sehen, stapft zur Kasse und erklärt uns dann, das wir zum halben Preis als Studenten rein dürften - na dann.

Im letzten größerem Kaff kaufen wir für die restlichen Som Hammel, Bier und Früchte um die nur 20 km entfernte Grenze anzusteuern. Steffi, die sich in Kiffistan 2 Wochen gut gehalten hat, wittert Morgenluft - oder Kasachstan - und quittiert den Dienst. Mangels Beschilderung finden wir einen geschlossenen Grenzübergang sofort und den geöffneten nach 3,5 Stunden und 150 Kilometer Umwegen. Ob sie uns vor was bewahren wollte? Während die Grenzer am geschlossenen und mit Stacheldraht und Barrieren verrammelten Übergang wie Statisten aus Marlon Brandos Dschungelcamp in Apocalypse Now aussahen wird hier mit Bügelfalte und Kappe im Schatten des Übergangs auf Feierabend gewartet, es ist nicht viel los. Freundlich und direkt werden wir nach Souvenieri gefragt - man will sich und uns Zeit, Mühe und Arbeit sparen.

Da auch alle anderen Grenzgänger Souveniers in Form von Melonen, Früchten, Kohle und sonstiger Handelsware übergeben, die sofort in einem Bus im Schatten verschwindet, spielen wir mit und sind nach einer guten halben Stunde im Niemandsland zwischen den Grenzen. Das war uns die Sache schon ein paar Schlüsselanhänger, Aufkleber und Pins nebst Kulis wert, zumal wir reichlich Hände zur Verabschiedung schütteln dürfen. Bin ich froh wenn wir wieder in Mainz sind. Da würde sicher kein Beamter oder Politiker für eine Melone oder Ähnliches etwas schneller tun oder sich gegenseitig bevorzugen. Grüße in die korrekteste Stadt der Welt und an die Handkäsmafia, Tschüß wunderschönes Kiffistan.

* * *

2 x 111

Auch eine unendliche Reise hat mal Halbzeit, bei uns ist das am 26. August der Fall. Zeit für eine Zwischenbilanz: 20.065 Kilometer sind wir gefahren und haben Dank der vielen Offroadpisten 4700 Liter Diesel getankt. Ohne das teure Moskau und die unfähige Werkstatt in der Mongolei hätten wir im Schnitt 1100 Euro im Monat incl. aller Nebenkosten, Gebühren und Souveniers ausgegeben, so sind es ca 300 mehr. Natürlich ist der Sprit der Hauptkostenfaktor, auch wenn wir in Kannabistan nur traumhafte 35 Cent/Liter zahlen mussten. Gefehlt hat es uns und vor allem den Hunden an Nichts, wir haben alle lokalen Spezialitäten getestet und uns abwechslungsreich ernährt - auch das Feierabendbier war drin. Die Hunde sind allesamt schwer begeistert und zeigen uns das auch auf ihre Art. Wenn wir machen was sie wollen sind sie überaus kooperativ und schlafen mit uns den Schlaf der Fernreisenden - wir sind bei mindestens 10 Stunden täglich angekommen.Dafür sind vor allem Sonne, Seen und die Höhe verantwortlich, längere Wanderungen sind eher selten. Durch das tägliche Feuer heißt mein After-Shafe jetzt "Smoke" in Sorten, irgendwie riecht alles nach Rauch - auch Wäsche die noch unbenutzt seit Mainz in den Schränken lagert. Ein weiteres Problem ist der allgegenwärtige feine Staub, der durch alle Ritzen dringt und mit Rauch um die Vorherrschaft in den Schränken kämpft. Es steht unentschieden. Oftmals ist es so, dass der Rückenwind die riesigen Staubwolken die das Kloppomobil produziert unser fahrendes Heim überholen lässt, bei Bremsung oder entgegenkommenden LKW`s ist eh alles zu spät.

Verständlicherweise haben wir die Fenster und Dachluke bei Temperaturen bis über 50 Grad geöffnet - AC ist für Weicheier. Auf der einen Seite sind wir erschlagen von den täglichen neuen Eindrücken, auf der anderen freuen wir uns auf jeden neuen Tag und fiebern der nächsten Weiterfahrt entgegen. Etwas unterschätzt haben wir die Einsamkeit und den Mangel an Kommunikation mit Euch / Anderen.

Bis zu 6 Wochen nur miteinander sprechen zu können - die Konversationen auf russisch ist doch sehr einseitig - nervt. Andererseits ist die Gegenwart unseres Autos wie eine UFO-Landung, jeder fragt die ewig gleichen Dinge und ist entweder verzückt, oder hält uns für komplett durchgeknallt. Und auch noch 4 Sabacci-Hunde - nee, nee - die spinnen die Mainzer. Das hält natürlich niemanden zurück uns zu beschenken, zum Abendessen, Tee oder Kaffee einzuladen und natürlich VODKA. VODKA mit Schachlikje, VODKA mit Bier, VODKA von der Oma, VODKA selbstgebrannt und VODKA aus dem Supermarkt. VODKA morgens, mittags, nachmittags und abends und dann fahren die sturztrunkenen neuen "friends" und sei es nur bis in die nächste Feuerstelle. Die Frauen, hübsch, gebildet und oft deutlich kultivierter als ihre Paschas, ergeben sich unterwürfig in ihr Schicksal.

Mann hält es nicht für notwendig sie zu begrüßen, die Hand zu geben oder ähnliches. Schon seit der Mitte Russlands ist das der Fall, Sabine spricht mit den Herren der Schöpfgung, klärt alles ab und ich werde mit Umarmung als neuer Freund verabschiedet.

Da mir Frauenküsse deutlich lieber sind als die unrasierter Männer mit VODKAfahne, habe ich begonnen die Sitten in aufopferungsvoller Kleinarbeit zu ändern, ich bin gespannt wann sich die Liberalisierung durchsetzt.  Da wir alles gemeinsam erleben brauchen wir uns abends nichts vom Tag zu erzählen, würden uns aber so gerne bei einem Bier mit Anderen über die gegenseitigen Erlebnisse und Erfahrungen austauschen. Leider gibt es hier keine Reisebekanntschaften, die man auf einen Gin-Tonic an der Bar trifft um dann noch ein bisschen um die Häuser zu ziehen und Abenteuer auszutauschen.

Somit fehlt ihr uns natürlich auch Alle, es gibt doch nichts schöneres als die gemeinsamen Abende mit einem guten Schoppenwein. Im Dummzeug labern sind wir ja doch ganz gut. Wäre das schön nach Stadionbesuch und Bratwurst die Sportschau zu sehen und einen Drauf zu machen. Die Zeit der WM haben wir noch recht gut überstanden, aber ohne 05er fehlt dir was. Es gibt wohl doch sehr unterschiedliche Lebensqualitäten und Freunde, Heimat und Mainz haben einen sehr hohen Stellenwert für mich. Das bedeutet aber auch, das ich nach einiger Zeit zu Hause wieder vom Fernweh gepackt werde und die nächste Reise plane. Möglicherweise nicht mehr so lang und so weit, oder mit Unterbrechung, aber dieses Weg-Gen ist sehr tief in mir drin.

Eine weitere völlig neue Erfahrung habe ich mit mir selbst gemacht. Wenn man erstmals im Leben bewusst Zeit mit sich selbst und seinen Gedanken verbringen kann ist das schon eine irre Sache. Während ich in meinem früheren Berufsleben niemals abschalten konnte und auch unsere exotischen Reisen nur Alibifluchten waren, bin ich jetzt im steten Dialog mit mir selbst. Landschaften und Sonnenuntergänge sind genauso anregend wie die vielen gefahrenen Kilometer, eigentlich müsste ich alles gleich aufschreiben bevor es sich mit der nächsten Inspiration mischt und vom nächsten Gedanken verdrängt wird. Das Leben, zumal in solchen Extremen, ist eine großartige Sache. Ich will immer und solange wie möglich wissen, was hinter der nächste Kurve kommt und wie das nächste Spiel ausgeht. Das wollte ein Fußballbekannter aus Hannover nicht mehr und hat den Freitod als letzte - logische? - Konsequenz gewählt. Auch diese SMS machte mich unendlich nachdenklich. Wir können unseren Traum leben und auf der anderen Seite kapituliert Einer vor seinem Leben in dem er an allen wichtigen Prüfungen grandios gescheitert ist. Wenigstens kann ich jetzt zugeben, das ich die 96er nie leiden konnte. Udo du Idiot - die Welt ist so wunderschön, auch wenn man nicht in Kannabistan oder Kiffistan war.

So, nun liegen noch 111 Tage vor uns die wahrscheinlich wie im Fluge vergehen, bis wir am 15. Dezember unsere kleine Rundreise um 17.05 Uhr vor dem Bruchwegstadion beenden wollen.

Die zweite "Urlaubshälfte" verfliegt erfahrungsgemäß doppelt so schnell wie die erste und in den sogenannten Schurkenstaaten die jetzt noch vor uns liegen ist sicher für viel Abwechslung gesorgt. Das es die bisherige "Reise unseres Lebens" wird ist klar, dass ich unbedingt noch mal einiges wieder sehen will, natürlich auch. Was wissen wir schon über Kirgistan und Tadschikistan, wenn wir noch nicht da waren? Ich sage euch, es ist mit das schönste was ich bisher gesehen habe - außer Mainz und dem Bruchweg, aber davon handelt dann mein nächster Bericht. Ich bin in Gedanken täglich bei euch, vermisse euch wirklich sehr und freue mich riesig auf die Heimat, aber mein zweites Herz schlägt für die Ferne, Freiheit und Abenteuer. Wenn nur das verflixte Internet überall gehen würde. Grüße vom Exilmainzer z.Zt. Issykulsee/Kiffistan.

* * *

MURPHYS LAW

Unsere Nord-Südreise verläuft planmäßig, Steppe und Flussoasen wechseln im Stundentakt bis Grün das Landschaftsbild dominiert. Pappelalleen und landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Weideland haben die graugelbe Eintönigkeit abgelöst.

Wir stehen an einem Bach und baden, als ich mehrere Schlangen bei der Jagd nach Fröschen und Fischen bemerke - Sabine verliert sofort die Lust am Wasser, ich positioniere mich mit dem Foto in der Bachmitte. Leider stehen die Hunde meiner Karriere als Reptilienphotograf im Wege, spannend ist es aber allemal. Bevor wir Almaty, die heimliche Hauptstadt von Kannabistan ansteuern, wollen wir die "Singende Düne" besuchen, scheitern aber von Nord und West an der fehlenden Beschilderung und schlechten Piste. Der Stausee von Kapschagaj liegt direkt neben uns und lockt bei Temperaturen um 35 Grad zur Abkühlung - schon ist es passiert. Ich fahre über eine Wasserblase auf dem Weg, will mich mit Allrad zurück retten und sitze bis auf der Hinterachse fast einen Meter im Schlamm. Auch die Kardanwelle ist am Heck nicht mehr sichtbar.

Nach Begutachtung der Lage wandert Sabine den See entlang um Hilfe zu organisieren, ich beginne das Auto frei zu graben um die Sandbleche unterlegen zu können. Der hintere Matsch ist zäh wie Kaugummi, das Wasser nimmt sofort vom abgegrabenen Erdreich Besitz ein. Die Vorderräder zu untergraben macht auch keinen Spaß, da auf jedem ca.3 Tonnen Gewicht lagern und die 395er Räder wie Fundamente im Gelände stehen. Meine Bemühungen werden mit Blasen, Blutblasen und heftigem Sonnenbrand belohnt. Sabine wird bei einem Fischer fündig, der einen Freund mit Traktor benachrichtigen will, das nächste Dorf ist über 8 Kilometer entfernt. Während ich weiter grabe wollen Fischer und Frau und Sabine den guten Mann zu mir und den Hunden bringen. Das dauert -fast 4 Stunden- bis alle ohne Traktor wieder auftauchen, dafür mit Sohn und Balken zum Unter- und Aufbauen.

Tatsächlich gelingt es uns das Heck Zentimeter für Zentimeter aus dem Sumpf zu hieven, die Jungs haben einen guten Plan nachdem ich für den hinteren Teil bereits resigniert hatte. Nach 10 Stunden kommt der Traktor, es ist bereits stockdunkel, nach 12 Stunden sind wir frei und trinken Bier mit unseren Rettern, die natürlich angemessen entlohnt werden. Nie wieder Salzkrustenwege oder ähnliche Risiken schwören wir uns, 36 Stunden später ereilt uns das selbe Schicksal nochmals an einem Schlagbaum den wir am Vortag nach Nachfrage problemlos passiert hatten. Die Stimmung ist auf dem 0-Punkt, zumal unsere diestägigen Ersthelfer sich anstellen wie eine Reisegruppe aus Vatikanstadt im Rotlichtviertel von Pattaya. Leider sind sie auch extrem beratungsresistent und werkeln sinn- und planlos bis sie die Lust verlässt und genauso plötzlich im Schilf verschwinden wie sie gekommen sind.

Zu meinen Blasen hat sich ein gewaltiger Muskelkater gesellt, der Boden unter den Vorderrädern ist bedeutend härter als zwei Tage zuvor. Diesmal befreit uns ein Schlepper nach 7 Stunden, das richten der Bleche und verstauen unseres Werkzeuges ist jetzt nur noch einstündige Routine.

Jetzt sind wir wirklich auf unserer persönlichen Mainz-Mongolei Ralley angekommen und unser Equipment ist kein affiger Schnickschnack mehr, sondern erwies sich als absolut notwendig zur Bewältigung der Strecken. Wir bedanken uns bei den benachbarten Fischern mit kaltem Bier - diese hausen ohne Strom und Wasser in Baracken am Strand - und verbarrikadieren das Kloppomobil vor den Moskitos.

Fix und alle wollen wir neben der neuerlichen Einbruchstelle übernachten und fallen um 21 Uhr todmüde ins Bett. Leider haben wir die Rechnung ohne die Fischer gemacht, die schlau kombiniert haben, das wir sicher noch mehr kalten Alk haben und es doch ein netter Abend werden könne. Wir stellen uns tot so gut es geht, die Hunde machen Dauerterror, aber man(n) hat ein Einsehen und lässt uns schlafen, beschenkt mit einer Honigmelone.

Am nächsten Morgen brechen wir auf, bevor die lieben Nachbarn mit ihrem Fang vom See kommen. In der Millionenstadt Almaty finden wir einen Stellplatz in Zentrumsnähe. Esperanza/Hoffnung heißt die Disco hinter der wir in einer Sackgasse stehen, direkt am offenen Kanalschacht, der bei Temperaturen weit der 30 Grad erbärmlich stinkt.

Zumindest haben wir ganztägig Schatten und der Parkplatzwächter verspricht für die 5 Euro 50 nach dem Auto zu sehen wenn wir nicht da sind, das ist der Tarif für zwei Tage.Leider ist auch der Müllplatz der Disco in Riechweite und in der Sackgasse leben Hunderte Menschen, es gibt Kleingewerbe und eine Bäckerei, auch Horden von Straßenhunden, die das Revier unter sich aufgeteilt haben und recht aggressiv sind. Unsere Vier beachten diese gar nicht und gehen hoch erhobenen Schwanzes an der Leine vorbei ohne den Pöbel eines Blickes zu würdigen. Das tun wir umso mehr und heben drohend Steine, ein Signal das jeder Köter im Osten versteht. Verwöhnt durch die tollen Übernachtungen in der Natur, die Freiheit ohne Hundeleine und die Möglichkeit immer ans Wasser zu kommen sind unsere Mitreisenden nicht sonderlich begeistert hier nicht mal frei raus zu können. Die Hitze steht auch nachts im Auto, wo es von 32,8 auf 32,2 Grad abkühlt - wir packen die beiden alten Hunde in feuchte Handtücher, was sie gut finden. Die Fliegengitter bleiben oben um den Kanalgestank strömen zu lassen, besser als völlige Windstille, aber in der Stadt gibt es die aggressivsten Stechmücken überhaupt, die Bisse sind wirklich schmerzhaft. Die Esperanza auf Schlaf müssen wir durch Discogänger, Verkehr und Beschallung aus den wendenden Fahrzeugen beerdigen, zudem treibt sich dubioses Volk umher und drängt in die dunkle Wagenecke. Angie hat in über 3 Meter Höhe am offenen Wohnzimmerfenster Stellung bezogen, der Grubsch die Vorrausverteidigung übernommen, es gibt die ganze Nacht was zu verbellen und verteidigen, spätestens wenn die Straßenköter wiederkommen, an Schlaf ist nicht zu denken. Warum das alles fragt ihr - na wegen euch. Wir wollen unsere Mails checken und neue Bilder und Berichte verschicken, ein völliger Misserfolg. Herbert mein PC findet es zwar toll so im Mittelpunkt zu stehen und insgesamt mit 11 Taxis durch die Stadt chauffiert zu werden, der Erfolg ist jedoch gleich Null. Internetcafe 1 baut zwar eine Verbindung auf, lässt uns aber nichts abrufen oder senden, Cafe 2 sagt gleich NJET und weist uns die Tür, 3 ist im Umbau und in Nr.4 ist Totalabsturz. Da alle weit auseinander liegen und die Stadt sehr weitläufig ist geben wir am zweiten Tag entnervt auf, verfluchen den Reiseführer und die Taxifahrer, die nicht immer mit guter Ortskenntnis bestachen. Um nicht aus dem Takt zu kommen erwischen wir den schlechtesten Wechselkurs der Stadt. Wir gönnen uns dennoch das zweite Essen im Restaurant seit Reisebeginn, was nicht sonderlich gut aber teuer ist. Am nächsten Abend gibt es Grillhuhn für uns alle Sechs aus der Bude auf der anderen Strassenseite. Der Versuch die russische Simkarte aufzuladen scheitert trotz Beteuerung des Fachpersonals - das Geld ist weg. Nachdem auch die Kontaktaufnahme mit Sascha, einem Mittelsmann von Kostja, ein Opfer der Technik wird das wir nach über 50 Versuchen beenden und uns die Taxifahrer jetzt schon persönlich kennen, laufen wir noch ein paar Mal zum Supermarkt, füllen die Vorräte auf um dann die Flucht aus der Stadt anzutreten. Obwohl wir in der LKW-Verbotszone waren kommen wir unbehelligt raus und schaffen es auch noch die Gasflaschen aufzufüllen, auch dies kein einfaches Unterfangen. Da die Aldi-Grillkohle für unseren Webergrill zur Neige geht versuchen wir nachzukaufen, was an einer Tankstellenkette problemlos möglich sein soll. Tatsächlich gibt es handliche Pakete, Grillanzünder sind gänzlich unbekannt. Man soll den Karton als Anzünder verwenden steht in Englisch auf diesem. Klappt auch prima, die Holzkohle ist nämlich Holz welches sich nur wiederwillig in die Grillform einfügt, aber zu guter Letzt schaffe ich es auch hiermit lecker Schachlikje und Huhn für alle hinzubekommen. Positiv zu vermerken ist eigentlich nur, das wir weder überfallen noch sonstwie bestohlen wurden, auch unser rollendes Heim macht keine Mucken, aber es gibt ja Murphys Gesetz das besagt, das alles was schief gehen kann in der Negativspirale schief geht.

Nach einer ruhigen und schlafreichen Nacht am Jesik, dem blauen See in 1700 Meter Höhe und einer weiteren am beeindruckenden Scharyn-Canyon glauben wir den Fluch gebrochen zu haben und wollen die Grenze nach Kirgistan überqueren. Die Zöllner freuen sich wie Bolle, als wir am kannabischen Schlagbaum vorfahren, winken fröhlich und schenken uns eine kleine Landesfahne mit güldener Cannabispflanze auf blauem Grund. Wir freuen uns genauso, da weder hier, noch auf der unmittelbar angrenzenden kirgisischen Seite ein Wagen wartet, verständlich bei der Schotterpiste die zu bewältigen war. Leider wähnt die Freude nicht sonderlich lange, da man uns mitteilt, daß der Grenzübergang geschlossen wäre und es nur eine offene Grenze zwischen beiden Ländern gäbe.

Die liegt leider 250 Kilometer westlich von Almaty, aber nach da wären es ja nur 300 zurückzufahren. So gesehen stimmt das und 300 sind deutlich weniger als 3500 von der mittleren Mongolei. Na also, geht doch, Murphys Law ist gebrochen, ab jetzt geht es wieder aufwärts. Gut gelaunt treten wir die Rückfahrt an und stellen erfreut fest, dass es binnen eines Tages von 46 auf 16 Grad abgekühlt hat und regnet - mehr Glück kann man ja wohl kaum haben!

* * *

 

REGISTRATIA

Eine lästige Pflicht in den ehemaligen GUS-Staaten ist die Meldepflicht, die man leider nicht an der Grenze erledigen kann. Die in den Reiseführern beschriebene Möglichkeit sich in Hotels für 25$ registrieren zu lassen erweist sich nach mehreren Versuchen für uns mit Wohnmobil als nicht praktikabel. Theoretisch soll es auch in Reisebüros gehen, die sind leider in Nordostkannabistan Mangelware. Somit bleibt uns nur der Gang zum Einwohnermeldeamt. Hier könne man das Dokument für 1$ erhalten, müsse aber im Bestfall mit einem Tag für die Bearbeitung rechnen. Wir fragen uns bei der Polizei durch, die ein Auge zudrückt und uns nach Öskemen - einer mittleren Großstadt - einfahren lässt. Das Einwohnermeldeamt ist im Stadtzentrum, um viertel nach Zwei stehen wir vor einer verschlossenen Stahltür, die sich nur mit einem großen flachem Safeschlüssel öffnen lässt. Etwa 100 Menschen warten im verglasten Vorraum oder auf dem Vorplatz mit uns, alle scheinbar recht entspannt. Das ändert sich eine viertel Stunde später, als immer mehr Antragsteller erscheinen und den heißen Vorraum betreten. Die Vollverglasung wäre wirklich nicht nötig gewesen. Eine Frau trommelt energisch gegen die Tür, nichts passiert. Die meisten Versammelten haben sich auf den Amtstermin gut vorbereitet und sich seit mehreren Tagen nicht gewaschen - das verschafft eine eigene Aura und etwas mehr Platz. Eine Frau in selbstgehäkeltem roten Pullover, die bei einem Meter fünfzig Länge und Breite und geschätzten 150 Kilo Lebendgewicht von hinten die Treppe hoch stürmt kämpft sich mit ihrem gewaltigen Busen, den ein monströser BH in pyramidenform hält und somit zur Nahkampfwaffe macht, zügig nach vorne durch.  Kurz danach bricht das Inferno los, als sich die Tür öffnet. Das Verhalten ist very unbritish, auf Alte, Kinder und Gebrechliche wird keinerlei Rücksicht genommen. Der Sog zieht uns in die Amtsstube, die aus zwei Räumen besteht, die durch Durchgänge verbunden sind. Wir stranden in einer Ecke und überlegen welcher der 11 Schalter für uns zuständig sein könnte, der Rest des Raumes schreit sich gegenseitig an. Bedienstete gegen andere Beamte, Kunden gegen Kunden, Jeder gegen Jeden. Mindestens 4-5 Personen versuchen gleichzeitig einen Beamten zu irgendwas zu bewegen, man umkurvt die Theke und greift von hinten an. Die 6 oder 7 Beamten wechseln stets die Schreibtische, von denen somit 4 oder 5 erst gar nicht besetzt sind, was aber keinen davon abhält auch hier Remmidemmi zu machen. Die 150 Kilo Frau wird eigentlich nur von einem Endfünfziger getoppt, der dieses Jahr noch kein Bad von innen gesehen hat und in eine Fuselahne getaucht ist, die die Mücken von den Wänden fallen lässt. Vor Schalter 11 - nicht besetzt - steht ein suizidgefährdeter Gummibaum mit 5 Blättern, vor Schalter 6 ein erstaunlicher Hibiscus, der es irgendwie schafft aus Achsel - und Schweißgeruch eine überlebenswerte Photosynthese hinzubekommen, natürlich gänzlich ohne Wasser, aber mit Hilfe des Kunstlichtes. Die gesamte Szenerie ist derart skurril, das ich annehme 150 Kilo ist Dirk Bach in bester Verkleidung und Sonja Zietlow nur wartet bis ich rufe: Ich bin ein Deutscher, lasst mich hier rein. Trommel-gegen-die-Tür erweist sich als Sachbearbeiterin und weist uns den Weg zur gesittetsten Warteschlange, die sich relativ schnell auflöst. Wir werden ins Büro des Amtsleiters gebeten und bringen unser Anliegen vor. Das Büro ist auf dem neusten Stand der Technik und hat sowohl ein Telefon als auch zwei Türen, durch die laufend jemand kommt ohne zu klopfen und umgehend wieder rausfliegt. Nach Studium unserer Karte und zahlreichen Telefonaten in die Hauptstadt Absurdistan wird uns klar, das wir wohl die ersten Germanski mit diesem Anliegen auf seiner Stelle sind. Ein weiterer Beamter wird instruiert und studiert unsere Karte, er soll‘s wohl richten, wir folgen. Vor der Tür hat sich die Groteske nicht abgeschwächt. Dirk Bach stößt wie eine Robbe von einem Schalter zum nächsten, die Heringe/Kunden versuchen sich vor ihm/ihr in Sicherheit zu bringen, dem Quartalsäufer scheint ihr Geruch zu gefallen, da er stets in ihrem Fahrwasser kreuzt. (Leider taucht sie nie vor Schalter 11 auf, der Gummibaum scheint auf dem Sprung sein freudloses Leben zu beenden, sobald sie in Sichzweite ist). Die Beamten studieren nun kopfschüttelnd unsere Karte, was die restlichen Leute weniger gut finden, weil dies mit Kompletteinstellung der Arbeit verbunden ist. Ich verteile weitere Karten und sehe wie unser Sachbearbeiter die nächste Dame instruiert, die dann wiederum.... .Unsere Pässe wechseln den Träger schneller als eine Papierkugel beim Hütchenspiel, finden sich dann aber beim Lehrling wieder. Ich überlege nun, ob möglicherweise RTL eine neue Show mit Ilka Bause und unserem ehemaligen Bundeshorst Köhler - der muss ja auch von irgendwas GEZ bezahlen - ins Leben gerufen hat. Möglicherweise "Ausländer sucht Amt" , bin mir dann aber sicher bei der versteckten Kamera zu sein, als die Azubi unsere Regestratia auf Kopierpapier auszufüllen beginnt. PC hält man hier für überflüssigen neumodischen Schickimickikram, Fax und Kopierer tun es auch. Was ich am Ende unterschreibe weiß ich zwar nicht, es ist aber sehr ordentlich geschrieben, handschriftlich natürlich - nicht mit Maschine. Da sich weder Frank Elstner noch Dieter Hallervorden zu erkennen geben, kann ich mir nur erklären, das es sich um eine kannabische Live-Soap handelt, für irgendwas müssen die ganzen Kameras an der Decke ja gut sein. Ich nehme an, das die Wuchtbrumme auf den Pumps mit roter Sohle, die neben mir versucht einen Beamten - männlich - zu beeindrucken, irgendeine Ostschauspielerin in Gastrolle ist, als ich jäh aus meinen Gedanken gerissen werde. Die Registratia ist fertig, mit Stempel und Unterschrift, gültig bis Visaende. Der Hammer dazu, es kostet nichts, vielen Dank und Nosvidanje. Nach 75 Minuten war der Spuk beendet, ich denke an das Schicksal des Gummibaumes und bedauere es irgendwie den Moderator der Show nicht kennengelernt zu haben. Warum ich an Carsten Spengemann denke, weiß ich wirklich nicht, bin mir aber sicher, dass Mainz das gesittetste Einwohnermeldeamt der Welt hat.

* * *

GOOD BYE RUSSIA - WELCOME TO KANNABISTAN

Die 600 Kilometer von Novosibirsk zur Grenze sind ein Katzensprung, zum zweiten Mal heißt es „Auf Wiedersehen" Russland, das Land der schönen Frauen und unendlichen Entfernungen. Nochmals vielen Dank für die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, auch wenn ihr manchmal ein wenig zu direkt und wenig diskret seid, etwas laut auftretet und viel zu viel raucht und trinkt. Es wäre schön, wenn ihr ein wenig mehr auf eure Umwelt und deren Schutz achten würdet, noch seid ihr damit reich gesegnet. Danke auch der Polizei, die korrekt zu uns war, bei der letzten Kontrolle einen Kilometer vor der Grenze hielt man uns extra an um uns mitzuteilen, dass Abblendlicht in Kannabistan Pflicht ist, sonst Strafe - nett.
Die Grenzformalitäten ins frühere Kasachstan sind die problemlosesten bis jetzt. Ohne Kopien und Stempel für die Hunde wären wir in 90 Minuten durch gewesen, so dauert es eine Stunde länger. Natürlich behält der Veterinär alles für sich und schließt es säuberlich weg - unsere Hunde waren wohl die ersten die hier eingereist sind.

Nach genauem Studium der Karten stellen wir fest, das wir diesen Grenzübergang auch hätten nehmen müssen, wenn wir die Mongolei durchfahren hätten. Wir befinden uns im Nordosten und fahren nun entlang der Grenzen zu Russland, der Mongolei und China in den Südosten des Landes. Kannabistan, das durch seinen cleveren Tourismusminister zu seinem neuen Namen kam - man will mehr Rucksacktouristen und Alt-68er ins Land locken - macht seinem Namen alle Ehre.

Waren wir uns während der beiden letzten Nächte in Russland nicht ganz sicher, ob wir in den Plantagen der lokalen Drogenmafia nächtigten, ist Cannabis hier allgegenwärtig. Als Begleitgrün an der Strasse fällt es dem Mähdrescher genauso zum Opfer wie auf den Wiesen, die bereits für das Winterheu abgemäht werden. In der trockenen Steppe wird es nur einen Meter hoch, an sonnigen Plätzen mit genügend Wasser erreicht es mühelos zweieinhalb Meter und mehr. Man könnte es den Löwenzahn des Landes nennen, nur die Promotion des Tourismusministeriums ist ausbaufähig - wir sind die einzigen Touristen weit und breit und treffen während unseres fast 4-wöchigen Aufenthalts nur einmal Touristen. Sehr seltsam, kostet der Liter Diesel doch nur 35 Cent, der Liter Markenvodka 2-3 Euro und auch die restlichen Lebenshaltungskosten sind deutlich geringer als in den vorbereisten Ländern. Der äußere Nordosten ist wunderschön und sehr sehr einsam.

Hauptverbindungsstrassen erweisen sich als einspurige Feldwege die zu überwuchern drohen, auf den Schotterpisten sonnen sich Schlangen. Unser Kartenmaterial ist völlig unzureichend und fehlerhaft -Brücken und Fähren die eingezeichnet sind fehlen und zwingen uns zu stundenlangen Umfahrungen. Die wenigen Wege sind nicht beschildert und wir machen diverse Abstecher in die schöne Botanik, die aber nie geplant waren. Konnte man sich auf "Steffi" bisher recht gut verlassen, hat sie hier völlig den Überblick verloren. Nachdem Sabine sie wiederholt als blöde Kuh und ähnlich beschimpft, zickt sie von nun an völlig und die Damen sind abwechselnd beleidigt wenn ich eine Wegeentscheidung treffen muss. Zickenterror in Nordostkiffistan, wer hätte das gedacht?

Nicht nur das Vieh macht einen sehr relaxten Eindruck, auch die Fahrweise der ansässigen Bevölkerung ist friedfertiger, teilweise wird sogar an roten Ampeln gehalten. Leider sind die bereisten Gebiete so abgelegen, das es teilweise keine Cola mehr zu kaufen gibt, das Warenangebot ist nur auf die Deckung der Grundbedürfnisse ausgerichtet, wozu Bier zum Glück zählt. Mit Bedauern muss ich auch feststellen, das der örtliche Strassenstrich - seit Beginn der Reise ein Quell der Inspiration für mich - wohl auch Insolvenzantrag gestellt hat, was bei der Verkehrsdichte nachvollziehbar ist.

In den Ausläufern des Altajgebirges wurde auf einer Länge von 340 Kilometern der Jertis aufgestaut und bildet den Stausee Buchtarminsk, der sich völlig natürlich ins Landschaftsbild einfügt. Drei Tage benötigen wir zur Erkundung des einsamen Ostufers, es gibt unzählige Bademöglichkeiten die wir nur mit den Hunden teilen. Leider sind wir ab Sonnenuntergang auch die einzigen Opfer der Moskitos, nirgendwo gibt es Genuss ganz ohne Reue. Nach dem Seeende ändert sich die Landschaft schlagartig, wir fahren in die Trockensteppe, karg wie in Südamerika. Zu meiner Linken ist ein Gebirgszug nach China, davor und zu meiner Rechten endlose braune Steppe. In der flachen baum- und strauchlosen Einöde ist begrenzte Viehwirtschaft möglich, die Hüttenansiedlungen entlang der miserablen Strasse sind mit trostlos noch euphorisch beschrieben.

Obwohl die Piste fast schlaglochfrei ist, sind alle 2-3 Meter Verwerfungen, die das Auto hochschaukeln und Achsbruch befürchten lassen. Stellt euch die Verkehrsberuhigungen vor Schulen und Kitas mit einer weiteren mittigen Vertiefung vor, dann könnt ihr verstehen weshalb ich zumeist nur 25-30 Kilometer in der Stunde schaffe.Wenn irgend möglich befahre ich den Schotterstreifen, falls vorhanden, und freue mich sogar über die reifenmordenden Offroad-Strecken - Oskar muss kotzen. Die melancholische Monotonie teile ich mir mit einem Herrn Neil Young, der mich in Endlosberieselung begleitet und Kilometer fressen lässt. Sabine und die Fellies dösen weg, was bei dem Geschüttel und Temperaturen von über 50 Grad in der Sonne ein Wunder ist. Trotzdem schwitzt man nicht, auch die Hunde hecheln nicht mal - so trocken ist die Luft.

Greifvögel und Ziegen/Schafherden sind die einzige Abwechslung, von Pferde oder Kuhkadavern abgesehen, die in der Hitze förmlich explodieren und eigenwillig riechen. Zum Glück wird die Einöde von Gebirgsbächen und Flüssen durchbrochen, die ich rechtzeitig zum Erfrischen und Auffüllen der Wassertanks aufsuche. Letzteres mit der ägyptischen Eimermethode, da unsere Zweitakterpumpe ums Verrecken nicht anspringen will. 300 Liter Bachwasser im Eimer durch das Schlafzimmerfenster in 3 Meter Höhe sind der Preis für 10 Tage heißes Duschen am Morgen.

Alle Menschen denen wir begegnen sind sehr nett, aber deutlich zurückhaltender als Russen oder Mongolen. Auch hier werden wir mit kiloweise Fisch beschenkt und um Bilder gebeten. Der Lada 1200 S,-S steht wohl nicht für Sport nehme ich an - ist das beliebteste Auto in Kannabistan. Der Innenraum hat Platz für 8 Personen und mehr, im Kofferraum findet zudem der Wocheneinkauf nebst Oma und 200 Liter Sprit Platz. Abenteurtliche Dachgepäckträger und Anhänger ohne GS oder TÜV-Bescheid, lassen zudem eine mittlere Marihuanaplantage oder Ziegenherde komfortabel von A nach B kommen, zumindest bis die Achse bricht.

Sehr hoch im Kurs stehen auch Audi aus der Heimat wie die D-Plakette erkennen lässt. Wir besuchen die Märkte in Ayaköz, Ürzhar und Maqanshy wo Hühnerbeine in einer Eigenblut-Salmonellenmarinade - natürlich ungekühlt - auf Käufer warten. Obwohl es Rinderherden ohne Ende gibt ist beim "Metzger" ausschließlich Hammel in Variationen erhältlich, hierzu Wurst und Käse die es niemals in die Produktpalette von "Du darfst" schaffen werden. Das Angebot ist wirklich der Albtraum der Brigitte-Diät, den Hunden schmeckt‘s aber super.

Zumindest das Obstangebot wird besser und erstmals seit über 8 Wochen können wir Salat kaufen - ein Genuss. Ob wir mit den tiefgefrorenen Hühnerbeinen besser fahren weiß ich nicht, ich handele mir einen Virus ein, der mich einen Tag außer Gefecht setzt. Meine Hoffnung Mails zu schicken beerdige ich am 12 August, 4 Kilometer vor der chinesischen Grenze deren Netz wir haben. Vodafone macht auch diese letzte Hoffnung zunichte - keine Verbindung ohne Anbieter. Wir blicken auf die schneebedeckten Gipfel der benachbarten 4000er, Flamingos und Pelikane ziehen ihre Bahnen. Heilende Süß- und Salzwasserseen wechseln sich ab, nachts lässt ein orkanartiger Steppenwind das Kloppomobil bedenklich wackeln obwohl ich mit dem Heck in Sturmrichtung stehe. Bei Sturm fliegen zumindest keine Mossies, die es ansonsten in Lagen unter 1200 Meter noch immer zu Hunderten ins Auto schaffen und uns allabendlich 2 Stunden Schlagsport bescheren. Die Grenzlinie zwischen China und Kannabistan verläuft über 1460 km, es gibt sage und schreibe 4 Grenzübergänge, der dem wir so nahe sind wird auch von der einzigen Bahnlinie gekreuzt.

Die Strasse ins Landesinnere stellt sich als bestens heraus, ich schaffe 60 km - in 4 Stunden. Wenn die Grundvorraussetzungen für eine florierende Volkswirtschaft eine gute Infrastruktur und ein funktionierendes Strassennetz sind, ist hier alles im Argen. Die LKW`s quälen sich im Schritttempo zur Grenze, die Schlaglöcher sind über 50cm, der restliche Asphaltbelag hinderlicher als Schotterpiste. Ich suche mir wieder den Weg durch die Steppe und begrabe die Hoffnung auf Mails bis Almaty. Wir waren dann 3 Wochen von allen Infos abgeschnitten und freuen uns unendlich eure Mails zu lesen - Grüße in die schönste Stadt der Welt.

* * *

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 [STARTSEITE]